Archer Jeffrey
an der Universität.«
»Ich bin aus Glasgow«, sagte Watts, »was Sie bei meinem Namen und Akzent vermutlich nicht überrascht. Aber bitte nehmen Sie doch Platz, und verraten Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
»Ich bin auf der Suche nach einem Guy Trentham, und man hat mich in der Polizeidirektion an Sie verwiesen.«
»O ja, ich erinnere mich an den Namen. Aber wieso?« Der Schotte stand auf und trat zu einer Reihe Aktenschränken an der Wand hinter ihm. Er öffnete den mit den Buchstaben »STV«, holte einen großen Karteikasten heraus und öffnete ihn.
»Trentham«, wiederholte er. Dann blätterte er durch die Akten und nahm schließlich zwei Seiten heraus. Damit kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück und überflog sie. Schließlich blickte er auf und sah Daniel scharf an.
»Sie sind schon länger hier, Junge, nicht wahr?«
»Ich bin vor einer knappen Woche in Sydney angekommen«, antwortete Daniel, durch die Frage ein wenig verwirrt.
»Und Sie waren noch nie zuvor in Melbourne?«
»Nein.«
»Und welchen Grund haben Sie für Ihre Nachforschung?«
»Ich möchte alles, was ich kann, über Captain Guy Trentham herausfinden.«
»Warum?« fragte der Generalkommissar. »Sind Sie Reporter?«
»Nein«, antwortete Daniel, »ich bin Lehrer, aber …«
»Sie müssen einen sehr guten Grund haben, wenn Sie diese weite Reise auf sich genommen haben.«
»Neugier, nehme ich an«, sagte Daniel. »Wissen Sie, ich habe ihn nie gekannt, aber Guy Trentham war mein Vater.«
Der Leiter des Strafvollzugswesens blickte auf die Angaben unter der Rubrik Angehörige auf dem Blatt: Ehefrau, Anna Helen (verstorben), eine Tochter, Margaret Ethel. Sohn war keiner aufgeführt. Er blickte wieder zu Daniel und traf nach kurzem Überlegen eine Entscheidung.
»Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, Mr. Trentham, daß Ihr Vater im Gefängnis starb.«
Daniel war wie gelähmt und begann wieder am ganzen Leib zu zittern. Watts blickte ihn über den Schreibtisch hinweg an und fügte hinzu: »Ich bedaure es wirklich, daß ich Ihnen etwas so Unangenehmes sagen mußte, vor allem, da Sie diesen weiten Weg gekommen sind.«
»Was war die Todesursache?« würgte Daniel heraus.
Der Generalkommissar drehte das Blatt um und blickte auf die letzte Zeile der Akte vor ihm: Hingerichtet durch den Strang. Er schaute wieder auf.
»Herzversagen«, sagte er.
31
Daniel fuhr im Schlafwagen nach Sydney zurück, aber er schlief nicht. Er wollte nur so schnell wie möglich von Melbourne fort. Mit jeder Meile entspannte er sich ein bißchen mehr, und nach einiger Zeit brachte er es sogar fertig, ein Sandwich zu essen, das er sich hatte bringen lassen.
Kaum war der Zug in den Bahnhof der größten Stadt Australiens eingefahren, sprang er aus dem Waggon, schleppte seinen Koffer zu einem Taxi und ließ sich direkt zum Hafen bringen. Er besorgte sich eine Passage auf dem ersten Schiff, das zur Westküste der USA fuhr.
Der kleine Trampdampfer, der nur für vier Passagiere zugelassen war, stach um Mitternacht nach San Francisco in See. Daniel war nicht an Bord gelassen worden, ehe er dem Kapitän nicht die volle Passage in bar bezahlt hatte, wodurch ihm nur gerade noch so viel blieb, daß er nach England zurückkehren konnte – solange er nicht irgendwo unterwegs aufgehalten wurde.
Während dieser schaukelnden, endlosen Überfahrt nach Amerika lag er meist auf seiner Koje und hatte viele Stunden Zeit zu überlegen, was er mit seinem neuen Wissen machen sollte. Er versuchte, sich die Ängste vorzustellen, die seine Mutter in all den Jahren ausgestanden haben mußte, und sagte sich, was für ein guter Mensch sein Stiefvater doch war. Wie er dieses Wort haßte! Nie würde er von Charlie als seinem Stiefvater denken. Wenn die beiden ihn nur von Anfang an in ihr Vertrauen gezogen hätten, hätte er seine ganzen Fähigkeiten einsetzen können, ihnen zu helfen, statt soviel Energie damit zu vergeuden, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Doch jetzt war ihm um so schmerzhafter bewußt, daß er ihnen nicht sagen durfte, was er herausgefunden hatte, da er wahrscheinlich viel mehr wußte als sie.
Daniel bezweifelte, daß seine Mutter auch nur ahnte, daß Trentham im Gefängnis gestorben war und daß er eine ganze Reihe von zornigen Gläubigern quer durch Victoria und Neusüdwales zurückgelassen hatte. Davon war auf dem Grabstein in Ashurst jedenfalls nichts zu lesen.
Während er auf Deck stand und zusah, wie das kleine Schiff unter der Golden-Gate-Brücke hindurch in die Bucht
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