Archer Jeffrey
Klicken.
Tatsächlich rief Daniel kurz nach acht Uhr an.
»Ich komme eben erst aus dem Bad«, erklärte sie ihm. »Dann müssen Sie wie Michelle aussehen. Ich komme
lieber schnell rüber und suche Ihnen ein Frottiertuch aus.« »Danke, ich habe bereits eines um«, versicherte ihm Cathy
lachend.
»Wie schade«, bedauerte Daniel. »Ich bin wirklich gut im
Abtrocknen. Aber wenn das nicht geht«, fügte er hinzu, ehe sie
etwas sagen konnte, »wie wäre es, wenn Sie mit mir zum
Festessen des Trinity College am Samstag gehen? Es ist immer
nur eines pro Quartal; wenn Sie mir also einen Korb geben,
besteht keine Chance, daß Sie mich so bald wiedersehen.« »In diesem Fall nehme ich an. Aber bloß, weil ich kein
College-Festessen mehr hatte, seit ich aus der Schule raus bin.« Also fuhr Cathy mit dem Zug nach Cambridge, wo Daniel
sie am Bahnsteig in Empfang nahm. Obwohl der TrinityProfessorentisch so berüchtigt war, daß er selbst die illustresten
Gäste einzuschüchtern vermochte, fühlte Cathy sich unter den
anwesenden Professoren sehr wohl. Allerdings fragte sie sich,
wie manche es zu einem hohen Alter bringen wollten, wenn sie
regelmäßig so viel aßen und tranken.
»Der Mensch lebt nicht von Brot allein«, war Daniels
einzige Bemerkung zu dem Mahl, bei dem sieben Gänge
aufgetischt wurden. Cathy dachte, die Freßorgie wäre zu Ende,
als sie noch ins Haus des Rektors eingeladen wurden, aber dort
gab es alles mögliche zum Knabbern, und die Portweinkaraffe,
die endlos herumging, schien nie zur Ruhe zu kommen oder leer zu werden. Sie entfleuchte schließlich, doch erst, nachdem die Turmuhr von Trinity Mitternacht geschlagen hatte. Daniel brachte sie zu einem Gästezimmer an der anderen Seite des riesigen Hofs und fragte, ob sie Lust hätte, mit ihm zur
Morgenandacht im King’s College zu gehen.
»Ich bin so froh, daß Sie nicht vorgeschlagen haben, ich
solle zum Frühstück kommen«, sagte Cathy, als Daniel sie auf
die Wange küßte, ehe er ihr eine gute Nacht wünschte. Das Gästezimmer, das Daniel ihr besorgt hatte, war noch
kleiner als ihr winziges Apartment in Nummer 135, aber sie
schlief sofort ein, kaum daß sie den Kopf aufs Kissen gelegt
hatte, und wurde erst von Glockengeläut geweckt, das, wie sie
annahm, von der Kapelle des King’s College herüberdrang. Daniel und Cathy erreichten den Eingang der spätgotischen
Kapelle, nur Augenblicke bevor die Chorsänger ihre
Prozession in Zweierreihen durch das Kirchenschiff begannen.
Ihr Gesang bewegte Cathy noch mehr als die
Schallplattenaufnahme, die sie besaß und bei der nur das Bild
der Chorsänger auf der Hülle ahnen ließ, welch erhebendes
Erlebnis es sein mußte.
Nach dem Segen schlug Daniel einen Spaziergang am
Camufer vor, um die letzten Reste von Müdigkeit zu
vertreiben. Er nahm sie bei der Hand und ließ sie nicht los, bis
sie etwa eine Stunde später nach Trinity Hall zu einem leichten
Mittagessen zurückgekehrt waren.
Am Nachmittag führte Daniel Cathy durch das Fitzwilliam
Museum, wo Cathy wie gebannt vor Goyas kinderfressendem
Teufel stehenblieb. »Bißchen wie an Trinitys
Professorentisch«, bemerkte Daniel, ehe sie hinüber ins Queens
spazierten und einem Studentenstreichquartett zuhörten, das
eine Fuge von Bach spielte. Als sie gingen, flackerte bereits
das Gaslicht entlang der Queen Street.
»Bitte, kein Abendessen!« flehte Cathy, während sie über
die Mathematical Bridge zurückschlenderten.
Daniel lachte, und nachdem sie ihre Reisetasche aus dem
Trinity-Gästehaus geholt hatten, fuhr er sie in seinem kleinen
MG gemächlich nach London zurück.
»Danke für das denkwürdige Wochenende«, sagte Cathy,
als sie Nummer 135 erreicht hatten. »Nein, mit ›denkwürdig‹
sind die beiden letzten Tage nicht genügend gewürdigt.« Daniel küßte sie sanft auf die Wange. »Wiederholen wir es
doch nächstes Wochenende«, bat er.
»Kommt nicht in Frage«, entgegnete Cathy, »nicht wenn Sie
es ernst gemeint haben, daß Sie schlanke Frauen mögen.« »Na gut, dann lassen wir das Essen aus und spielen statt
dessen Tennis. Es ist vielleicht die einzige Möglichkeit
herauszufinden, wie gut die zweite Mannschaft der Melbourner
Universität ist.«
Cathy lachte. »Würden Sie so lieb sein und Ihrer Mutter für
mich noch einmal für die exquisite Party am vergangenen
Donnerstag danken? Es war wirklich eine denkwürdige
Woche.«
»Täte ich gern, aber Sie werden sie bestimmt vor mir
sehen.«
»Übernachten Sie denn nicht bei Ihren Eltern?«
»Nein, ich muß nach
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