Archer Jeffrey
biete Ihnen die Stelle als Geschäftsführer an und bin bereit, Ihnen ein Pfund mehr die Woche zu bezahlen, als Sie gegenwärtig verdienen.«
Es bedurfte einer Busfahrt und einer Menge Antworten vor seiner Haustür, ehe er mich hineinbat, um mich seiner Mutter vorzustellen. Zwei Wochen später kam Bob Makins als Geschäftsführer zu uns.
Trotzdem mußte ich am Ende unseres ersten Monats feststellen, daß der Laden einen Verlust von drei Pfund gebracht hatte und ich nicht in der Lage war, Daphne auch nur einen Penny zurückzuzahlen.
»Sei nicht gleich verzweifelt«, tröstete sie mich. »Wenn du weitermachst, kann es immer noch eine Chance geben, daß die Verzugsklausel nicht in Kraft tritt, vor allem, wenn sich Mr. Trumper nach seiner Rückkehr auch nur als halb so tüchtig erweist, wie du ihn darstellst.«
Während der vergangenen sechs Monate war es mir geglückt, den schwer zu fassenden Charlie etwas besser im Auge zu behalten bzw. seinen jeweiligen Aufenthaltsort zu erfahren. Daphne hatte mir einen jungen Offizier vorgestellt, der im War Office arbeitete. Er schien immer ganz genau zu wissen, wo Sergeant Charles Trumper von den Royal Fusiliers zu jeder Tag- oder Nachtstunde zu finden war. Ich war jedoch nach wie vor entschlossen, den Laden zu einem gutgehenden, gewinnbringenden Geschäft zu machen, lange bevor Charlie heimkam.
Zu meiner Bestürzung erfuhr ich Anfang des neuen Jahres, daß mein ferner Geschäftspartner am 20. Februar aus der Armee entlassen werden sollte. Obendrein mußten wir rasch zwei der kichernden Verkäuferinnen ersetzen, die ein Opfer der spanischen Grippe geworden waren, und die dritte wegen Faulheit entlassen. Obwohl wir ausgezeichneten Ersatz landen, machten wir doch nicht jede Woche Gewinn.
Ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was Tata mich gelehrt hatte, als ich noch ein Kind war. Wenn viele Kunden anstanden, mußte man sie rasch bedienen, waren es dagegen nur wenige, sollte man sich Zeit lassen; auf diese Weise wäre der Laden nie leer. Die Leute kauften nicht gern in leeren Läden ein, hatte er mir erklärt; da fühlten sie sich unsicher.
»Auf der Markise«, sagte er, »sollte folgendes stehen: ›Dan Salmon. Immer frisches Brot. Gegründet 1879‹. Mach bei jeder Gelegenheit auf Namen und Datum aufmerksam; die Leute, die im East End leben, möchten gern wissen, wie lange man schon da ist. Käuferschlangen und Geschichte, das ist etwas, das die Briten schon immer schätzten.«
Ich versuchte dieser Philosophie treu zu bleiben, weil ich annahm, daß es in Chelsea nicht viel anders war als im East End. Nur stand in unserem Fall auf der Markise: ›CHARLIE TRUMPER, DER EHRLICHE HÄNDLER. Gegründet 1823.‹ Einen halben Tag lang überlegte ich sogar, ob ich das Geschäft nicht Tramper & Salmon nennen sollte, entschied mich jedoch dagegen, weil ich befürchtete, ich hätte es dann den Rest meines Lebens auf dem Hals.
Auf einen der großen Unterschiede zwischen dem East und dem West End stieß ich schon bald. Während in Whitechapel die Kunden, die nicht gleich bezahlen konnten, anschreiben ließen, was mit Kreide auf eine Schiefertafel gekritzelt wurde, ließen die Kunden in Chelsea sich Rechnungen schicken. Zu meiner Überraschung war es in Chelsea schwieriger als in Whitechapel, sein Geld auch wirklich zu bekommen. Im nächsten Monat konnte ich Daphne immer noch nichts zurückbezahlen. Voll Ungeduld wartete ich auf Charlies Rückkehr.
An dem Tag, an dem er heimkommen sollte, aß ich mit zwei Kommilitoninnen in der Mensa zu Mittag. Ich kaute an meinem Apfel und spielte mit einem Stück Käse, während ich mich bemühte, ihrem Gespräch zu folgen. Nachdem ich meinen dritten Becher Milch geleert hatte, klemmte ich meine Bücher unter den Arm und kehrte in den Hörsaal zurück. Obwohl mich die Vorlesung sehr interessierte, war ich doch froh, als es läutete und der Professor seine Unterlagen zusammenklaubte.
Die Straßenbahnfahrt zurück nach Chelsea schien mir eine Ewigkeit zu dauern, aber endlich hielt die Tram an der Ecke Chelsea Terrace an.
Es machte mir immer Spaß, die ganze Straße entlangzuspazieren, um zu sehen, wie das Geschäft in den anderen Läden ging. Als erstes kam ich an dem Antiquitätenladen vorbei, wo Mr. Rutherford wohnte, der immer freundlich den Hut zog, wenn er mich sah; dann an dem Damenmodegeschäft in Nummer 133, dessen im Schaufenster ausgestellte Kleider ich mir wohl nie würde leisten können; als nächstes an der Metzgerei Kendrick, wo Daphne einkaufte;
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