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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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das Tablett in die Küche zurücktrug – ich vermutete, daß sie so etwas noch nie zuvor getan hatte – und dabei mein Abschlußzeugnis sah, das Mutter an die Speisekammertür geheftet hatte. Mutter lächelte und machte mich noch verlegener, als sie die Schlußbemerkung auswendig vortrug: »Miss Salmon bewies ungewöhnlichen Fleiß, der zusätzlich zu ihrem forschenden Verstand und ihrer raschen Auffassungsgabe eine gute Voraussetzung für ihr Studium am Bedford College sein dürfte. Unterzeichnet von Miss Potter, der Direktorin.«
    Alles, was Daphne zu diesem Thema sagte, war: »Ma hat sich nicht die Mühe gemacht, mein Abschlußzeugnis irgendwo zur Schau zu stellen.«
    Schon bald nachdem ich in die Chelsea Terrace gezogen war, hatte sich das Zusammenleben mit Daphne gut eingespielt. Daphne flitzte von Party zu Party, während ich von einem Hörsaal zum anderen eilte, dadurch kreuzten sich unsere Pfade nur selten.
    Trotz meiner Befürchtungen stellte sich Daphne als wundervolle Wohngefährtin heraus. Sie interessierte sich zwar kaum für mein Studium – sie verbrauchte ihre Energie bei der Verfolgung von Füchsen und Gardeoffizieren –, bewies jedoch in jedem nur möglichen Gebiet gesunden Menschenverstand, ganz zu schweigen davon, daß sie in ständiger Verbindung zu einer ganzen Schar junger Männer stand, die gute Partien abgeben würden, und die in scheinbar endlosen Reihen an der Haustür von Chelsea Terrace 97 erschienen.
    Daphne behandelte sie alle mit derselben Geringschätzung – sie vertraute mir an, daß ihre große und einzige Liebe noch an der Westfront kämpfte, ohne daß sie je seinen Namen erwähnt hätte.
    Jedesmal, wenn ich mich von meinen Büchern losreißen konnte, fand sie irgendeinen jungen Offizier für mich, der mich zu einem Konzert, ins Theater oder gar zu Regimentsbällen begleitete. Obwohl sie sich, wie schon erwähnt, nicht dafür interessierte, was ich auf der Universität machte, fragte sie mich oft nach dem East End und schien fasziniert von meinen Geschichten über Charlie Trumper und seinem Karren.
    So hätte es wohl endlos weitergehen können, wenn ich nicht eines Tages zufällig nach der Kensington Weekly gegriffen hätte, einer Zeitschrift, die Daphne abonnierte, um sich auf dem laufenden zu halten, welche Filme im nahen Lichtspielhaus gespielt wurden.
    Als ich die Zeitschrift an einem Freitag abend durchblätterte, sprang mir ein Inserat ins Auge. Ich studierte es eingehend, um sicherzugehen, daß der Laden auch tatsächlich dort war, wo ich annahm, dann legte ich die Zeitschrift zur Seite und ging los, um mich zu vergewissern. Ich schlenderte die Chelsea Terrace hinunter und fand das Schild am Schaufenster des Gemüsehändlers. Seit Tagen mußte ich daran vorbeigekommen sein, ohne es bemerkt zu haben.
    »ZU VERKAUFEN. Anfragen bei John D. Wood, Mount Street 6, London W 1«, stand darauf.
Ich erinnerte mich, daß Charlie immer hatte wissen wollen, wie das Preisverhältnis zwischen Chelsea und Whitechapel war. Also entschloß ich mich, es für ihn herauszufinden.
Am nächsten Tag, nachdem ich mich bei unserem Zeitungshändler näher erkundigt hatte – Mr. Bales wußte offenbar immer ganz genau, was in Chelsea vorging, und freute sich, wenn er sein Wissen mit jemandem teilen durfte, der ein bißchen plaudern wollte –, begab ich mich zur Maklerfirma John D. Wood in der Mount Street. Eine Zeitlang mußte ich am Schalter warten, der die Kunden vom Büro trennte, doch dann kam einer von vier Assistenten herbei, stellte sich als Mr. Palmer vor und erkundigte sich, wie er mir behilflich sein könne.
Nachdem ich mir den jungen Mann eingehender angesehen hatte, fragte ich mich, ob er überhaupt jemandem helfen konnte. Er war etwa siebzehn und so bleich und dünn, daß ich befürchtete, schon ein Windhauch könnte ihn umwerfen.
»Ich möchte Näheres über das Objekt Chelsea Terrace 147 erfahren«, sagte ich.
Er blickte mich verwirrt an. »Chelsea Terrace 147?«
»Chelsea Terrace 147.«
»Wenn Madam mich bitte entschuldigen würde«, sagte er und ging zu einem Aktenschrank; als er dabei an einem Kollegen vorbeikam, zuckte er übertrieben die Schultern. Ich sah, wie er mehrere Papiere durchblätterte und schließlich mit einem Blatt zum Schalter zurückkehrte. Er dachte nicht daran, mich hineinzubitten oder mir auch nur einen Stuhl anzubieten.
Er studierte das Blatt. »Ein Gemüsegeschäft«, sagte er.
»Ja.«
»Der Ladenraum«, erklärte der junge Mann mit müder Stimme, »ist

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