Archer Jeffrey
sieben Meter lang. Das Objekt als Ganzes hat eine Fläche von etwas über neunzig Quadratmeter, dazu gehört eine kleine Wohnung im ersten Stock mit Aussicht auf den Park.«
»Welchen Park?« fragte ich und war mir nicht sicher, ob wir vom gleichen Objekt sprachen.
»Princess Gardens, Madam«, antwortete er.
»Das ist eine Rasenfläche von wenigen Quadratmetern«, informierte ich ihn. Dieser Mr. Palmer war offenbar in seinem ganzen Leben noch nie in der Chelsea Terrace gewesen.
»Das Objekt ist Privateigentum«, fuhr dieser ungerührt fort, ohne auf meine Bemerkung einzugehen, »und die Besitzerin ist bereit, es neunzig Tage nach Vertragsunterzeichnung zu räumen.«
»Wieviel hofft die Besitzerin dafür zu bekommen?« erkundigte ich mich. Ich ärgerte mich immer mehr über die gönnerhafte Art, mit der ich behandelt wurde.
»Unsere geschätzte Klientin, eine Mrs. Chapman …«, begann Mr. Palmer.
»Witwe von Vollmatrose Chapman, zuletzt im Einsatz auf der HMS Boxer «, fuhr ich fort. »Er ist am 8. Februar 1918 gefallen und hinterließ eine siebenjährige Tochter und einen fünfjährigen Sohn.«
Ich freute mich diebisch, als ich Mr. Palmers entgeistertes Gesicht sah.
»Ich weiß auch, daß Mrs. Chapman Arthritis hat, wodurch es ihr fast unmöglich ist, die Treppe zu ihrer kleinen Wohnung hinauf- und hinunterzusteigen«, fügte ich hinzu.
Er wirkte nun sehr verlegen. »Ja«, sagte er. »Nun, ja.«
»Also, wieviel hofft Mrs. Chapman für das Geschäft zu bekommen?« fragte ich erneut. Inzwischen vernachlässigten Mr. Palmers drei Kollegen ihre eigene Arbeit, um sich unser Gespräch nicht entgehen zu lassen.
»Sie verlangt einhundertundfünfzig Guineen«, erklärte der Jüngling, ohne den Blick von der untersten Zeile des Papiers zu nehmen.
»Einhundertundfünfzig Guineen!« rief ich und machte eine ungläubige Miene, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was der Besitz tatsächlich wert war. »Mrs. Chapman muß im Wolkenkuckucksheim wohnen! Hat sie vergessen, daß wir Krieg haben? Bieten Sie ihr hundert an, Mr. Palmer, und Sie brauchen mich nicht zu belästigen, wenn sie auch nur einen Penny mehr möchte.«
»Hundert Guineen?« fragte er hoffnungsvoll.
»Pfund«, entgegnete ich, während ich meinen Namen und die Adresse auf die Rückseite seiner Karte schrieb und sie auf dem Schalter liegenließ. Mr. Palmer hatte es offenbar die Sprache verschlagen. Ich ließ ihn mit offenem Mund stehen, drehte mich um und verließ das Büro.
Ich kehrte nach Chelsea zurück, wohl wissend, daß ich eigentlich gar kein Geschäft in der Terrace erstehen wollte. Ganz abgesehen davon besaß ich keine hundert Pfund, ja nicht einmal halb so viel. Ich hatte etwas über vierzig Pfund auf der Bank und keine Aussicht, auch nur ein Pfund mehr aufzutreiben. Aber der junge Mann hatte mich mit seiner herablassenden Art wütend gemacht. Nun, ich brauchte nicht zu befürchten, daß Mrs. Chapman ein geradezu beleidigendes Angebot wie meines annehmen würde.
Mrs. Chapman nahm mein Angebot jedoch bereits am nächsten Morgen an. In unbeschwerter Unwissenheit, daß ich nicht verpflichtet war, den Vertrag zu unterschreiben, hinterlegte ich am selben Nachmittag eine Anzahlung von zehn Pfund. Mr. Palmer machte mich darauf aufmerksam, daß ich diese Summe nicht zurückbekäme, wenn ich den Vertrag nicht innerhalb von dreißig Tagen erfüllte.
»Kein Problem«, versicherte ich ihm forsch, obwohl ich nicht die leiseste Ahnung hatte, woher ich den fehlenden Betrag nehmen sollte.
Während der folgenden zwanzig Tage wandte ich mich so gut wie an jeden, den ich kannte, von der Bausparkasse bis zu entfernten Verwandten, ja selbst an Kommilitonen, doch niemand zeigte das geringste Interesse daran, einer jungen Studentin sechzig Pfund zu leihen, damit sie einen Obst- und Gemüseladen kaufen konnte.
»Aber es ist eine lohnende Anlage!« versicherte ich jedem, der bereit war, zuzuhören. »Außerdem wird Charlie Trumper das Geschäft führen, und er ist der beste und erfolgreichste Obst- und Gemüsehändler, den es je im East End gab.« Weiter kam ich mit meinem Verkaufsgespräch selten, ehe eine gelangweilte Miene das höfliche Interesse ablöste.
Nach der ersten Woche mußte ich mir widerwillig eingestehen, daß Charlie Trumper nicht sehr darüber erfreut sein würde, daß ich zehn Pfund unseres Geldes geopfert hatte – sechs von seinem und vier von meinem Anteil –, nur um meine weibliche Eitelkeit zu befriedigen. Ich beschloß, den Verlust seiner sechs
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