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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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über
der Dame auszuleeren, aber es gelang ihr, ihre
Selbstbeherrschung zu bewahren, schon deshalb, weil sie
wußte, daß Mrs. Trentham genau das provozieren wollte. Nach weiterem Schweigen fragte Mrs. Trentham: »Haben
Sie Geschwister, Miss Salmon?«
»Nein, ich bin ein Einzelkind.«
»Erstaunlich.«
»Wieso?« erkundigte sich Becky.
»Ich dachte immer, die unteren Schichten vermehren sich
wie die Kaninchen.« Mrs. Trentham gab ein zweites Stück
Zucker in ihre Tasse.
»Also Mutter, wirklich …«, begann Guy.
»Es war nur ein kleiner Scherz«, entgegnete Mrs. Trentham
rasch. »Guy nimmt mich manchmal so ernst, Miss Salmon.
Aber ich erinnere mich sehr gut, was mein Vater, Sir
Raymond, einmal sagte …«
»Nicht schon wieder!« stöhnte der Major.
»Daß die gesellschaftlichen Klassen wie Wasser und Wein
sind. Man sollte auf keinen Fall versuchen, sie zu mischen.« »Aber hat nicht Jesus Wasser in Wein verwandelt?« fragte
Becky schlagfertig.
Mrs. Trentham ignorierte diesen Einwurf. »Genau deshalb
haben wir Offiziere und niedrige Ränge; weil Gott es so
gewollt hat.«
»Und Sie glauben, Gott wollte auch den Krieg, damit diese
Offiziere und niedrigen Ränge mehrerer Nationen einander
wahllos niedermetzeln können?« fragte Becky.
»Das weiß ich nicht, Miss Salmon«, erwiderte Mrs.
Trentham. »Ich bin ja auch keine Intellektuelle wie Sie,
sondern nur eine einfache, biedere Frau, die ihre Meinung
offen ausspricht. Aber etwas weiß ich, wir haben während des
Krieges alle Opfer gebracht.«
»Und welche Opfer haben Sie gebracht, Mrs. Trentham?«
erkundigte sich Becky.
»Viele, junge Dame.« Mrs. Trentham richtete sich zur
vollen Größe auf. »Angefangen damit, daß ich auf vieles
verzichten mußte, was für ein normales Leben wesentlich ist.« »Wie ein Arm oder ein Bein?« entgegnete Becky und
bereute es sofort, als ihr bewußt wurde, daß sie sich von Mrs.
Trentham hatte provozieren lassen.
Guys Mutter erhob sich und schritt gemessen zum Kamin,
wo sie heftig an der Kordel der Dienstbotenklingel zog. »Ich
muß es mir nicht gefallen lassen, in meinem eigenen Haus
beleidigt zu werden!« Kaum trat Gibson ein, befahl sie ihm:
»Schicken Sie Alfred in Miss Salmons Zimmer, und lassen Sie
ihre Sachen packen. Sie kehrt eher als vorgesehen nach London
zurück.«
Becky blieb stumm am Kamin sitzen und wußte nicht recht,
was sie als nächstes tun sollte. Mrs. Trentham starrte sie
herausfordernd an, bis sie aufstand, zum Major hinüberging
und ihm die Hand gab. »Ich möchte mich von Ihnen
verabschieden, Major Trentham. Ich habe das Gefühl, daß wir
uns nicht wiedersehen werden.«
»Das bedauere ich ehrlich, Miss Salmon«, versicherte ihr
der alte Herr galant und küßte ihr die Hand. Dann verließ
Becky, ohne Mrs. Trentham eines Blickes zu würdigen, das
Zimmer. Guy folgte ihr auf den Gang.
Auf der Rückfahrt nach London versuchte Guy, das
Benehmen seiner Mutter mit allen möglichen Gründen zu
entschuldigen, aber Becky war sich bewußt, daß er selbst nicht
an seine Worte glaubte.
Als der Wagen vor Nummer 97 anhielt, sprang Guy hinaus,
öffnete die Beifahrertür und begleitete Becky zur Haustür. »Darf ich mit hinaufkommen?« bat er. »Ich muß dir noch
etwas sagen.«
»Nicht heute abend«, wehrte Becky ab. »Ich möchte jetzt
lieber allein sein und nachdenken.«
Guy seufzte. »Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich dich
liebe, und mich mit dir über unsere Zukunftspläne
unterhalten.«
»Eine Zukunft, die deine Mutter mit einschließt?« »Zur Hölle mit meiner Mutter«, entgegnete er. »Weißt du
denn nicht, was ich für dich empfinde?«
Becky zögerte.
»Geben wir unsere Verlobung in der Times bekannt, und
soll meine Mutter doch denken, was sie will. Was meinst du?« Becky drehte sich um und schlang die Arme um ihn. »O
Guy, ich liebe dich so sehr und werde dich immer lieben, aber
geh jetzt besser. Daphne könnte jeden Augenblick
heimkommen.«
Guy machte ein enttäuschtes Gesicht, aber er küßte sie noch
einmal und hielt sie fest, bis sie sich aus seinen Armen löste,
die Haustür öffnete und die Treppe hinaufrannte.
Daphne war noch nicht vom Landsitz ihrer Eltern zurück
und kam erst zwei Stunden später heim.
»Wie ist es gegangen?« waren ihre ersten Worte, als sie das
kleine Wohnzimmer betrat und Becky zu ihrer Überraschung
schon wieder da war.
»Es war eine Katastrophe.«
»Dann ist es also vorbei?«
»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Becky. »Im Gegenteil,
ich glaube, Guy hat mir einen Heiratsantrag gemacht.«

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