Archer Jeffrey
»Und hast du ja gesagt?« fragte Daphne.
»Auf gewisse Weise schon.«
»Hat er auch etwas von Indien gesagt?« erkundigte sich
Daphne.
Als Becky am nächsten Morgen ihre Koffer auspackte, stellte sie entsetzt fest, daß die kostbare Brosche fehlte, die Daphne ihr fürs Wochenende geliehen hatte. Sie konnte sie nur in Ashurst Hall gelassen haben.
Da sie kein Bedürfnis hatte, sich deshalb mit Mrs. Trentham in Verbindung zu setzen, schickte sie Guy ein paar Zeilen darüber in sein Regimentskasino. Er schrieb ihr am gleichen Abend zurück und versicherte ihr, daß er sich selbst darum kümmern würde, wenn er am Wochenende wieder nach Hause fuhr.
Becky machte sich die ganze Woche Sorgen, ob Guy die Brosche auch finden würde, und war nur froh, daß Daphne sie offenbar noch gar nicht vermißt hatte. So konnte Becky hoffen, sie würde die Brosche in Daphnes Schatulle zurücklegen können, bevor Daphne sie wieder tragen wollte.
Von Guy erhielt sie am darauffolgenden Montag einen Brief, in dem er schrieb, daß er die Brosche nicht hatte finden können, obwohl er das Gästezimmer sorgfältig durchsucht hatte. Außerdem hatte Nellie ihm versichert, sie erinnere sich genau, daß sie das Schmuckstück in Miss Salmons Kofier gepackt hatte.
Das verwunderte Becky, denn sie wußte genau, daß nach ihrem Hinauswurf weder Nelly noch dieser Alfred, der es hätte tun sollen, ihre Koffer gepackt hatte, sondern sie selbst. Voll Bangen wartete sie bis spät in die Nacht auf Daphnes Rückkehr vom Land, um ihr zu gestehen, was passiert war. Sie befürchtete, daß es Monate oder gar Jahre dauern würde, bis sie das Kleinod, das bestimmt ein Familienerbstück war, ersetzen konnte.
Bis ihre Freundin schließlich gegen Mitternacht heimkam, hatte Becky mehrere Tassen Kaffee getrunken und sich fast eine von Daphnes Zigaretten angezündet.
»Du bist aber noch spät auf, Liebes«, meinte Daphne. »Stehen wieder Examen bevor?«
»Nein«, antwortete Becky und sprudelte die ganze Geschichte von der verschwundenen Brosche hinaus. Ohne ihrer Freundin die Gelegenheit zu geben, ein Wort einzuwerfen, fragte sie, wie lange sie wohl brauchen würde, bis sie ihr einen gleichwertigen Ersatz abstottern könne.
»Eine Woche etwa«, sagte Daphne nun.
»Eine Woche?« Becky blickte sie verwirrt an.
»Ja, es war nur Modeschmuck, der letzte Schrei. Ich glaube, ich habe ganze drei Shilling dafür bezahlt.«
Erleichtert erzählte Becky am Donnerstag Guy beim Dinner, weshalb die fehlende Brosche nicht mehr so wichtig war.
Am folgenden Montag brachte Guy das Schmuckstück zur Chelsea Terrace und erklärte, daß Nellie es unter dem Bett im Wellingtonzimmer gefunden hätte.
9
Becky fiel auf, daß sich Charlies Umgangsformen besserten, zunächst unmerklich, dann immer auffälliger.
Daphne versuchte gar nicht zu verheimlichen, daß sie etwas damit zu tun hatte. Sie nannte es: »Die gesellschaftliche Entdeckung des Jahrzehnts, mein höchstpersönlicher Charlie Doolittle. Am vergangenen Wochenende habe ich ihn mit nach Harcourt Hall genommen«, erzählte sie. »Er war ein voller Erfolg. Sogar Mutter fand ihn phantastisch!«
»Deine Mutter mag Charlie Trumper?« staunte Becky. »O ja, Liebes. Aber Mutter weiß ja auch, daß ich nicht die
Absicht habe, Charlie zu heiraten.«
»Na, na. Ich habe auch nicht die Absicht gehabt, Guy zu
heiraten.«
»Meine Liebe, du kommst aus den romantischeren Klassen,
während ich aus einer etwas praktischer denkenden Schicht
stamme – darum hat die Aristokratie auch so lange überlebt.
Nein, ich werde Percy Wiltshire heiraten, und das hat nichts
mit Bestimmung oder den Sternen zu tun, es ist lediglich gute
altmodische Vernunft.«
»Aber weiß Percy denn überhaupt etwas von deinen Plänen
für seine Zukunft?«
»Natürlich nicht. Nicht einmal seine Mutter hat es ihm
gesagt.«
»Aber was ist, wenn sich Charlie in dich verliebt?« »Ausgeschlossen. Weißt du, es gibt da eine andere Frau in
seinem Leben.«
»Großer Gott! Davon hat er mir nie etwas gesagt.« Becky
schwieg kurz, dann fügte sie hinzu: »Ich würde sie gern
kennenlernen.«
Die Bilanz des Halbjahres war noch wesentlich besser als
die des ersten Quartals, wie Daphne feststellte, als sie den
nächsten Rückzahlungsscheck erhielt. Sie beklagte sich bei
Becky, daß sie auf diese Weise keinen langfristigen Gewinn
von ihrem Darlehen haben würde. Becky jedoch dachte immer
weniger an Daphne, Charlie und den Laden, je näher Guys
Abreise nach Indien rückte.
Indien … Becky
Weitere Kostenlose Bücher