Arctic Fire: Thriller (Ein Scarecrow-Thriller) (German Edition)
Schofield sah, wie Mobutu ihn hochklappte, mit der freien Hand eine besonders fette Ratte am Schwanz packte und sie über die offene Kiste hielt, erstarrte auch der letzte Tropfen Blut in seinen Adern zu Eis.
»Gütiger Gott, nein …«, flüsterte er.
Das bekam Calderon mit. »Ich nehme mal an, ein so gebildeter Mann wie Sie, Captain, ist bestens mit George Orwells Roman 1984 vertraut. Darin wird der Protagonist Winston Smith einer ähnlichen Folter unterzogen. Im Roman dient die Rattenfolter jedoch nur dazu, Smith Angst zu machen und seinen Willen zu brechen; sie wird nicht wirklich angewendet . Nur damit Sie sich keine falschen Vorstellungen von mir machen, Captain: Ich gebe mich nicht mit leeren Drohungen ab. Mobutu, los.«
Der Sudanese ließ die Ratte in die Kiste fallen und warf ihr rasch eine zweite, kleinere hinterher, bevor er den Deckel schloss.
Calderon hob sein Mikrophon. »Zack. Emma. Erinnern Sie sich an Mr. Jeffrey Hartigan. Was Sie jetzt hören, sind seine Schreie. Er wird gleich bei lebendigem Leib von Ratten aufgefressen werden.«
Bis zu diesem Moment hatte Jeff Hartigans Körper vollkommen reglos von der Zinke des Gabelstaplers gehangen. Doch jetzt begann Hartigan mit beängstigender Plötzlichkeit wie ein Wahnsinniger loszubrüllen. Er trat wild zappelnd um sich und zerrte mit den Armen an seinen Fesseln, aber er war den Ratten wehrlos ausgeliefert.
Schofield konnte zwar nicht sehen, was im Innern der Kiste mit Hartigans Kopf geschah, aber er konnte es sich sehr gut vorstellen, und ihm wurde übel davon.
Die Ratten fraßen Hartigans schutzloses Gesicht.
Irgendwann würden sie sich durch seine Augen nagen, um auch sein Gehirn zu fressen. Erst dann würde er von seinen Qualen erlöst. Es war ein ebenso grausamer wie schmerzhafter Tod.
Hartigans entsetzliche Schmerzensschreie, die von den Holzwänden der Kiste kaum gedämpft wurden, füllten die riesige Halle. Calderon hielt weiter das Mikrophon hoch, um auch noch das letzte erbärmliche Wimmern einzufangen.
Nach dreißig Sekunden unvorstellbaren Grauens trat gnädigerweise der Tod ein.
Hartigans Körper erschlaffte abrupt, aber die Kiste über seinem Kopf ruckte und rappelte wegen der herumwuselnden Ratten unvermindert weiter.
Wieder johlte und klatschte die Menge. Wieder lächelte Calderon.
Mother und Baba verfolgten das Schauspiel fassungslos.
Auch Schofield starrte entsetzt auf die bebende Kiste.
»Allmächtiger«, flüsterte er. »Steh uns bei.«
Calderon kam wieder zu ihm. Immer noch die Ruhe in Person, sah er Schofield unverwandt an und sagte in sein Mikrophon:
»Zack? Emma? Sind Sie noch da? Sie wissen doch, dass Sie alldem ein Ende machen können. Sie brauchen sich nur zu stellen. Mehr ist gar nicht nötig. Andernfalls muss ich hier jedoch mit den Sergeants Newman und Huguenot und Captain Schofield weitermachen.«
Calderon wandte sich achselzuckend Schofield zu. »Lassen Sie uns doch einfach ein bisschen miteinander reden, Captain, während wir hier warten. Wie ich Ihrer Personalakte entnehme, hatten Sie ein sehr gespanntes Verhältnis zu Ihrem Vater. Sie haben Ihre Mutter gegen seine Schläge verteidigt, und da fragt man sich natürlich schon, ob vielleicht hier die Voraussetzungen für Ihren späteren Hang zum Heroismus geschaffen wurden. Aber auch Helden erleiden schwere Niederlagen. Verzeihen Sie mir, wenn ich hier alte Wunden wieder aufreiße, aber wenn ich richtig informiert bin, wurde Ihre Freundin, Ms. Elizabeth Gant, von einem ziemlich üblen Typen namens Jonathan Killian enthauptet. War es nicht gerade für einen Mann wie Sie besonders schmerzhaft, nichts tun zu können, um die Frau, die Sie geliebt haben, zu retten? Meines Wissens waren Sie aber nicht dabei, als sie enthauptet wurde, ist das richtig?«
Schofield starrte unverwandt vor sich hin und sagte nichts.
Calderon fuhr fort: »Meiner Erfahrung nach gibt es nichts Motivierenderes für einen Menschen, als mit ansehen oder zuhören zu müssen, wie eine geliebte Person gefoltert wird. Es ist bei weitem die wirksamste Methode, einem Gefangenen Informationen zu entlocken. Die unangefochtenen Meister in der Kunst des Folterns waren die Japaner. Sie haben im Zweiten Weltkrieg regelmäßig davon Gebrauch gemacht, zum Beispiel bei dem berüchtigten Massaker von Nanking.
Im Moment haben Sie nichts, was ich von Ihnen haben will, Captain Schofield. Zack und Emma allerdings schon. Wenn ich Sie jetzt also foltere, dient dies nur dem Zweck, die beiden dazu zu bringen,
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