Ardeen: Band 1: Der Kreis der Magie (German Edition)
gekommen.“
Die Finngul kam ganz nahe heran. Eryn nahm den säuerlichen Geruch, der von ihr ausging, deutlich wahr. Der Gestank aus ihrem Mund war noch schlimmer, als sie ihn dann aus nächster Nähe direkt ansprach.
„Trink das, Bluthand, und dann sieh in den Kessel. Er wird dir die Zukunft offenbaren.“
Die Flasche war mit einem Korken verschlossen, der sich leicht öffnen ließ. Eryn setzte die Flasche an die Lippen und trank das Gebräu. Es schmeckte scharf und bitter und brannte in der Kehle nach. Die Flasche fasste etwa einen halben Liter und Eryn trank so schnell er konnte, um die Flüssigkeit herunterzubekommen. Wärme durchflutete seinen Körper und seine Wahrnehmung veränderte sich. Wie die Alte ihn geheißen hatte, sah er anschließend in den Kessel. Wasser blubberte dort. Nichts außer Blasen, die an der Oberfläche zerplatzen.
Sie verspottet mich, dachte Eryn noch, doch dann passierte es. Das Wasser begann ihn anzuziehen, hinunter in die Tiefe, immer weiter in die Tiefe – ein schwarzer Strudel. Alles um ihn herum verblasste zu einem dumpfen Grau. Plötzlich sah er eine große Menschenmenge vor sich. Er selbst stand auf einem Podest. Er sah zunächst nur eine Abfolge von Bildern und dann sprach die Finngul in seinem Kopf:
„Im Angesicht des Todes wird dein Leben beginnen. Die Welt, wie du sie kennst, wird nicht mehr sein.“
Eryn sah in dem Traumbild zur Seite und dort hing die Leiche eines Erhängten. Eine schwarze Kapuze verhüllte das Gesicht des Toten, doch die Kleidung verriet, dass er ein Fenn war. Der Schreck darüber zerstörte das Bild und katapultierte Eryn zurück in die Wirklichkeit. Eine Hinrichtung! Ich habe eine Hinrichtung gesehen und ich stand ebenfalls auf dem Podest. Wird das mein Tod sein? Ein Tod, so unwürdig für einen Krieger?
„Und was bringt dir die Zukunft? Bist du jetzt zufrieden?“
Mit ihrer Frage riss die Alte Eryn aus seinen Gedanken.
Aber sie hat doch zu mir gesprochen, oder etwa nicht!? „Hast du es nicht gesehen, Finngul?“
Ärgerlich winkte die Alte ab. „Behalt es lieber für dich. Ich will es gar nicht wissen... und vergiss nicht, was du mir versprochen hast.“
„Natürlich. Du hast das Wort eines Fennkriegers.“
Wieder lachte die Alte. „Pah, geh jetzt, Bluthand.“
Eryn suchte das Weite. Was er sich erhofft hatte, war nicht geschehen. Und was er erfahren hatte, verwirrte ihn. Was würde geschehen, dass sein Weg ihn zu einer Hinrichtung führte – seiner Hinrichtung?
2. Kriegswirren
Naganor, der Schwarze Turm, ragte imposant in den Himmel. Die schwarzen Granitfliesen reflektierten das Sonnenlicht wie ein Spiegel. Licht und Schatten standen sich in ihren Extremen gegenüber. Naganor war auf felsigem Grund gebaut. Ein stolzer Turm am Rande einer Bergkette. An seinem Fuße befand sich die Zitadelle mit der großen Empfangshalle und den Wirtschaftsräumen. Davor war ein kleiner Hof und alles war umgeben von einer hohen, starken Mauer. Eine Zugbrücke führte über den Burggraben. Dort verzweigte sich die Straße. Sie führte nach Norden und Süden zu den weitergelegenen Städten Ardeens. Nicht weit der Straße nach Norden gefolgt, befand sich eine Mühle an einem Bachlauf. Es führte auch ein Weg nach Osten. Folgte man diesem, führte er zunächst durch ein kleines Dorf. Dort gab es die üblichen Handwerksbetriebe: Schmied und Schreiner, Schneider, Lederhandwerk, Bäcker und Fleischer, sowie ein Gasthaus, das Haus der Kräuterfrau und noch weitere Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Hatte man das Dorf dann hinter sich gelassen, so erreichte man die Garnison der Schwarzen Garde. Fünfhundert Mann stark war diese Elitetruppe des Prinzen von Ardeen.
Seine Hoheit, Prinz Raiden von Ardeen, saß in seinem Studierzimmer im zweiten Stock des Turms. Der Prinz war der zweite Sohn König Tarns von Ardeen und somit von höchstem Blut. Aber nicht nur das, sondern er war auch und vor allem der Herr des Schwarzen Turms, ein Magier von großer Macht. Im Kreis der zwölf magischen Richtungen beherrschte er die dunkle Magie, was ihm den Beinamen ‚der Schwarze Prinz‘ eingebracht hatte.
Orange, die Wärme der Heilung.
Braun, die Macht der Erde.
Weiß, die Leichtigkeit der Luft.
Blau, die Tiefen des Wassers.
Grün, das Leben der Pflanzen und Tiere.
Silber, die Klarheit des Geistes.
Violett, die Sanftheit der Liebe.
Grau, die Urgewalt der Felsen.
Schwarz, das Dunkle des Todes.
Rot, die Hitze des Feuers.
Gelb, das leuchtende
Weitere Kostenlose Bücher