Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)

Lehrhaftes, das nachhaltigere Wirkung zeigt. Dann werde ich dir mal dein Steckenpferd wegnehmen, Freundchen. „Nachdem Ihr Können in den einzelnen Disziplinen so unterschiedlich ist, habe ich Ihren Dienstplan für die nächste Zeit überarbeitet. Sie müssen mehr an Ihren Defiziten arbeiten. Das sehen Sie sicherlich auch selber ein.“
    „Jawohl, Lord Boron!“
    Nichts sieht der gerade ein. Nur ich sitze am längeren Hebel und solche wie dich habe ich schon einige gesehen, Prinz Ravenor. Ein Lächeln umspielte Lord Borons Mundwinkel, doch es war nicht freundlich gemeint: „Sie werden vermehrt am theoretischen Unterricht teilnehmen und um das angemessene Verhalten eines Offiziers zu lernen, werden Sie bei Sir Draken den Ordonnanzdienst versehen. Dafür kürzen wir den praktischen Teil Ihrer Ausbildung etwas zusammen. Den Schwertkampf brauchen Sie die nächste Zeit über nicht mehr zu üben.“ Ah, das trifft ihn jetzt, so wie ihm gerade das Gesicht runtergefallen ist, und jetzt noch der Nachschlag. „Mit Ihrem Zug führen Sie lediglich die Grundübungen durch. Die Waffenübungen übernehmen andere Offiziere, da Sie ja die Theoriekurse besuchen müssen. Und eingangs hatte ich es bereits erwähnt, dass Ihr Verhalten mein Missfallen erregt hat, darum ist trotz Ihrer gestrigen Belobigung auch eine kleine Bestrafung fällig: Wachhabender Offizier vom Dienst in der ersten Schicht für die nächsten zwei Monate. Da haben Sie auch viel Zeit, über sich selbst und Ihr Verhalten nachzudenken.“
    Ravenor schob den Unterkiefer vor und seine Gesichtsmuskeln waren angespannt. Gelinde gesagt, kotzte er im Augenblick. Der ganze langweilige Scheiß. Da erringe ich eine Belobigung und werde auch noch abgestraft. Dann lief ihm ein Schauder über den Rücken. Vielleicht haben die doch was gemerkt. Schließlich war ja Prinzenpapi die ganze Zeit über anwesend. Wenn er Eryn nun entdeckt hat? Aber nein, dann ständen wir jetzt beide am Pfahl. Und da dies nicht der Fall ist, schätze ich: Die missgönnen mir einfach nur den Sieg, weil ich keiner der geschleckten Lordlinge bin und nun würgen sie mir eine rein. Es ist eben nur ungerecht – wie immer. Ist das jetzt alles, oder kommt da noch was?
    Eigentlich reichte es Ravenor so schon und tatsächlich hielt ihm Lord Boron die entsprechenden Papiere hin.
    „Die können Sie auch gleich selbst mitnehmen und bei Ihrem Kommandanten abgeben.“
    Am liebsten hätte Ravenor das Kuvert mitsamt seinem Inhalt zerknüllt und ins Feuer geworfen, doch er steckte es in die Tasche und salutierte. „Mein Kommandant!“
    Schon halb auf dem Absatz kehrtgemacht, rief ihn Lord Boron zurück: „Halt, wartet. Fast hätte ich es vergessen.“ Und er gab Ravenor einen zweiten Umschlag. „Ein paar Männer Ihres Zuges werden versetzt und Sie erhalten dafür neue Rekruten.“ Mit dieser Bemerkung wurde Ravenor nun endgültig entlassen und stapfte wütend aus dem Raum.
    So, damit hätten wir dem jungen Stier eine auf die Hörner gegeben und nun werden wir sehen, was passiert. Es war Prinz Raidens Wunsch, dass alle ehemaligen Kameraden aus Ravenors Zug versetzt werden. Allen voran Eryn und seine früheren Stubenkameraden. Das ist im Grunde genommen das Beste für alle, aber ob unser sturer Bock Ravenor das einsieht – ist fraglich. Der ist so schwierig im Umgang... wie sein Vater.
     
     
    3. Ein ganz beschissener Auftrag
     
    Zwei Tage frei. Keine Dienste, keine Kurse, keine Extraarbeiten . Das waren Aussichten, die Eryn wirklich gefielen. Zuerst würde er ins Dorf gehen und sich bei den Händlern umsehen. Oder sollte er gleich nach Griscont reiten? Dort gab es die besseren Geschäfte. Und dann könnte er auf die Jagd gehen. So wie früher, in dem Leben, das er nun schon so weit hinter sich gelassen hatte. Fröhlich pfiff Eryn eine Melodie vor sich hin, als er seine Sachen zusammensuchte.
    „Eryn, komm sofort in die Zitadelle, du findest mich im Arbeitszimmer!“
    Prinz Raiden hatte telepathiert und Eryn war über die plötzliche Stimme in seinem Kopf – wie schon so oft zuvor – erschrocken. Noch bevor er etwas sagen, oder besser, ‚denken‘ konnte, war die Verbindung wieder abgebrochen.
    „Scheiße! Verdammte Poxe!“, fluchte Eryn vor sich hin.
    Anmerkung: Die Poxe ist eine Krankheit, die hässliche Geschwüre am Darmausgang hervorbringt. Diese jucken und brechen im Verlauf der Krankheit blutend auf. Der Begriff ‚Poxe‘ wird auch gerne als Schimpfwort benutzt.
    So viel zu meinen freien Tagen.