Argemí, Raúl
die Márquez haben nicht im Reservat gelebt«, insistierte die Krankenschwester, als sähe sie den vorwurfsvollen Blick ihres Chefs nicht.
»Sehen Sie«, sagte der Bundespolizist, senkte den Kopf noch tiefer und gab seinen Worten damit ein solches Gewicht, dass die Dicke automatisch auf seiner Seite war, »ich gehe hier zusammen mit der Polizei einer Sache auf dem Pass von Moquehue nach; Drogenschmuggel nach Chile, verstehen Sie? Und wenn die Person, nach der hier gefahndet wird, im Pick-up mit Márquez gesessen hat, müssen wir das wissen.«
»Ein Drogenhändler?«, fragte der Arzt.
»Von allem ein bisschen. Mehr noch sind es Betrugsdelikte wegen gefälschter Papiere, aber in letzter Zeit hat er wohl mit Medikamenten gehandelt.«
Mit der Gewissheit, mehr Erklärungen als nötig gegeben zu haben, starrte der Bundespolizist wieder auf das Bettgestell, zog dann eine Hand aus der Hosentasche und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf den reglosen Körper.
»Ich weiß nicht …«, sagte der Arzt irritiert. »Wenn Sie mir eine Nummer dalassen, rufe ich Sie gerne an, sobald er wieder bei Bewusstsein ist.«
»Er sieht nicht aus wie der auf dem Zeitungsfoto«, sagte der Mann, ohne den Finger herunterzunehmen. »Er hatte nicht diesen Verband im Gesicht.«
»Diese verdammten Journalisten …«, zischte die Dicke, »sie halten sich für so schlau, und am Ende richten sie nur Unheil an.«
»In der Eile haben sie sich vertan und den anderen Patienten fotografiert«, erklärte der Arzt, wobei er auf mein Bett zeigte.
Als sich die drei mir zuwandten, musste ich gegen den Impuls ankämpfen, die Augen zu schließen; die Reaktion hätte ihnen verraten, dass ich sie durch den Spalt zwischen meinen geschwollenen Lidern beobachtete. Es war keine gute Nachricht, dass mein Foto in der Zeitung erschienen war.
»Er ist an der Bajada de los Mallines die Böschung hinabgestürzt«, erklärte der Arzt leise. »Er wird beobachtet. Er hat keine Brüche, aber zahlreiche Prellungen, und sein Körper ist zu neunzig Prozent gelähmt. Kann sein, dass er eine gestauchte Wirbelsäule hat oder durch das Trauma blockiert ist, wir wissen es nicht genau.«
»Aha … Es war noch jemand bei ihm, wenn ich mich richtig erinnere.«
Die Hände wieder in den Hosentaschen, wandte sich der Polizist dem Ausgang zu.
»Er hatte einen Beifahrer«, sagte der Arzt noch leiser, »der bei dem Unfall gestorben ist.«
Der Polizist stellte sich einen Moment lang an das Fußende meines Bettes und musterte das, was von meinem Gesicht übrig geblieben war, mit den stumpfen Augen eines Frettchens, das sein Opfer gefunden hat.
»Haben Sie ihn identifiziert?«
»Ihn ja, er ist ein Journalist aus Buenos Aires. Der Leichnam des anderen wurde direkt nach Neuquén überführt.«
»Aha …«, sagte der Polizist und zog eine Hand aus der Hosentasche, um sich an der Nasenspitze zu kratzen; dabei sah er mich unverwandt an, als könne er von meinen Blutergüssen die Antworten ablesen, die er suchte.
»Glauben Sie, dass er uns versteht?«
»Nein … das glaube ich nicht«, murmelte der Arzt und fragte sich, ob er nicht zu viel erzählt hatte. »Er ist zeitweise ansprechbar, aber er steht noch unter Schock.«
Ich konnte meinen Atem hören und achtete darauf, dass er gleichmäßig ging.
»Glauben Sie, dass der, der an der Bajada de los Mallines gestorben ist, die gesuchte Person sein könnte?«, fragte der Arzt. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen Bescheid geben, wenn der Mann hier wieder ansprechbar ist.«
Der Polizist steckte die Hand wieder in ihr natürliches Versteck zurück und zuckte mit den Schultern.
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht, aber es könnte sein, warum nicht«, sagte er. Dann ging er, dicht gefolgt von den anderen.
Bevor sie die Tür schlossen, konnte ich hören, wie der Arzt seine anfängliche Ablehnung verteidigte.
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte er, »aber dieser Mapuche ist ein weiteres Opfer des Fortschritts. Ist Ihnen das klar? Wir nehmen ihnen ihr Land und ihre Bräuche weg, alles. Sogar ihre eigentlichen Namen haben sie verloren, wieso sollte er sonst Márquez heißen? Und jetzt scheinen sie sich auch nicht mehr gegen Krankheiten schützen zu können … jeder setzt ihnen alle möglichen Flausen in den Kopf.«
Das Einschnappen der Türklinke ließ das Gespräch verstummen. Ich atmete tief durch. Nach und nach brachte ich Ordnung in das Durcheinander, das mir zu schaffen machte.
Ich bewegte mich auf Messers Schneide. Wenn der
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