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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chamäleon Cacho
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betrachtete ihn einen Moment lang über ihren Kirschlikör hinweg, aber sie konnte nicht genau feststellen, was in der Stimme ihres Beichtvaters auf einmal anders war; also vergaß sie es wieder und setzte ihre Geschichte fort.
    »Nun … wie ich bereits erzählt habe, Pater: Ich heiratete also den hübschen Spanier, wir eröffneten einen Laden, und meine Mutter zog bei uns ein. Mein Vater war mit seinen politischen Aktivitäten beschäftigt. Ich war sehr jung, und ich gewöhnte mich an den Laden, bis ich ihn richtig gern hatte, und ich genoss die Kinder und das Geld, das mein Mann in kurzer Zeit verdiente. Aber an den Wind habe ich mich nie gewöhnen können …«
    Mit ruhiger Hand schenkte Doña Rosa die Gläser voll und trank, verloren in einer Erinnerung, die sie traurig stimmte.
    »Was ist mit Ihrem Vater geschehen?«
    »Vater? Er kehrte während des Bürgerkriegs nach Spanien zurück, um sich von den Franquisten töten zu lassen«, sagte sie, und ein sanftes Lächeln umspielte ihre angespannten Lippen. »Er mochte meinen Mann nicht, und ich glaube, ich mochte ihn auch nicht. Nein, sagen Sie nichts, Pater, ich bin alt genug, um zu wissen, wann ich nicht sündige. Ich war ihm treu, ich habe seine Kinder zur Welt gebracht und mich um das Geschäft gekümmert; aber ich habe ihn nie geliebt. So ist das nun einmal; im Alter fühle ich mich meinem Vater nahe, und ich mag die Priester der Dritten Welt …«
    Eine Weile herrschte Stille. Carlos durchbrach sie mit einer Geste in Richtung der Mapuche-Decke, die die spitzen Knie der Frau bedeckte.
    »Rosa, die Priester der Dritten Welt gibt es nicht mehr, die Kirche will sie nicht mehr haben. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Aber die Verpflichtung Christi gegenüber den Armen ist deshalb nicht verschwunden.«
    »Ich weiß, Pater, ich weiß. Denken Sie nicht, dass ich das vergessen hätte.«
    »Es ist eine Sünde, die Armen im Stich zu lassen.«
    »Vor allem jetzt, wo die ganzen Protestanten diesen Unglücklichen Flausen in den Kopf setzen. Wenn es nicht die Mormonen aus Nordamerika sind, dann eben andere, aber sie kommen von überall her wie die Ameisen und reden dummes Zeug.«
    »Es gibt viele wohlmeinende Prediger, Rosa, wir können nicht alle in denselben Topf werfen.«
    »Sagen Sie das nicht, Pater«, krähte sie und suchte nach etwas, das zwischen den Kissen verschwunden war. »Jeder Analphabet mit Krawatte und einer Bibel unterm Arm hält sich für einen Kardinal … Sogar einer meiner Knechte auf der Farm ist Laienprediger bei irgendeiner Kirche geworden.«
    »Naja …«
    »Nichts na ja. Jahrelang haben Sie fleißig studiert, und jeder dahergelaufene Ureinwohner kann auf einmal Prediger werden, einfach so, weil ihn angeblich das Himmelslicht berührt hat. Kommen Sie, Pater, so großzügig kann man nicht sein, ohne sich zum Narren zu machen; Sie müssten öfter den Knüppel zum Einsatz bringen.«
    »Rosa, diese Kirchendiener, diese Prediger und selbst die Spinner und Schaumschläger, die sich darunter befinden, geben den Armen, die nirgends respektiert werden, einen Teil ihrer Würde zurück. Die Knechte auf den Farmen, die Tagelöhner, die Mapuche, die irgendwo in der Pampa Ziegen halten; mit einer Bibel und einer Krawatte fühlen sie sich endlich wie Menschen, und sie sind Menschen. Verstehen Sie?«
    »Schon, aber ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich will sagen, dass diese Leute ihnen das geben, was die Kirche ihnen verweigert. Selbst die letzte protestantische Kirche ist demokratischer und egalitärer als unsere.«
    »Sind Sie fertig, Pater Carlos?«, fragte die Alte, während sie mit beiden Händen den prallen Geldbeutel umklammerte, den sie zwischen den Kissen hervorgeholt hatte, und ihm einen durchdringenden Blick zuwarf, mit dem sie seine Gesichtsknochen einzeln zu zählen schien.
    »Ich möchte Ihnen etwas sagen, das Sie nicht vergessen sollten. Ich will keine Demokratie in meiner Kirche, und Gleichheit auch nicht. Merken Sie sich das, Pater; niemand will diese Art von Demokratie. Ich will einen Gott, einen König und einen Hof. Und einen Priester, der meinen König repräsentiert. Ich will, dass jemand von Gottes Gnaden an der Macht ist, damit er mir sagt, was gut und was schlecht ist. Und das kann nicht irgendein dahergelaufener Ureinwohner mit Krawatte sein. Ich bin hier, um sie an ihren Platz zu verweisen. Seien Sie kein Dummkopf, und widersprechen Sie mir nicht.«
    Ein trockener Husten schüttelte sie wie einen Sack Luft, und mit

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