Argus #5
ersten achtundvierzig Stunden wieder aufgegriffen. Hier waren sie inzwischen bei Tag neun, und die Uhr tickte weiter. Manny starrte auf die scheußlichen Zeichnungen der verängstigten Frau, die er so gut kannte. Auch wenn er keine Ahnung hatte, wohin William Rupert Bantling unterwegs war, hatte er doch eine recht lebhafte Vorstellung davon, wen er suchte.
«Gib mir mal ’ne Sekunde, Mikey», sagte Manny. Dann verließ er die Zelle, nahm sein Handy und klickte sich durch seine Kontakte, bis er die Nummer fand, die er seit langer, langer Zeit nicht mehr benutzt hatte. Viel zu lange nicht. Aber das lag nicht an ihm.
«Dom. Lange her, Bruder», sagte er, als der Mann, der einmal sein bester Freund gewesen war, endlich abnahm. «Hier ist Bär. Ich habe hier in Miami ein paar Probleme, und ich glaube, wir beide müssen uns mal unterhalten …»
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D ie Sache fliegt auf», sagte Vance, als Daria in sein Büro kam. Er las etwas auf dem Bildschirm und sah nicht zu ihr hin. Daria setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Sie wusste sofort, was er mit seiner kryptischen Bemerkung meinte. Ihr Magen grummelte.
«Ich habe gerade mit der Gefängnisbehörde telefoniert», fuhr Vance fort, den Blick immer noch auf den Monitor geheftet. «Der Herald stellt Fragen wegen Bantling. Sie haben einen ganzen Stapel Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Keine Ahnung, wie lange es noch dauert, bis alle Schlagzeilen voll davon sind. Wir tun, was wir können, um das zu verhindern – zumindest so lange, bis das FBI mir sagt, ob sie endlich einen Hinweis haben, wo der Wichser steckt.» Er fuhr sich durchs Haar und wandte sich schließlich doch Daria zu. «Wir stecken knietief in der Scheiße, Daria. Das ist eindeutig das Letzte, was man an einem Freitag um vier hören will. Wenn so eine Story am Wochenende auffliegt, macht das alles nur noch schlimmer.»
Daria sackte auf ihrem Stuhl zusammen. «Es war doch nur eine Frage der Zeit, Vance. Ich wundere mich sowieso, dass es so lange gedauert hat.»
Er seufzte entnervt. «Wir müssen das wieder in den Griff kriegen. Sonst schießen gleich jede Menge Verschwörungstheorien aus dem Boden, es hätte was vertuscht werden sollen.»
Sollte es ja auch – aber das sagte Daria natürlich nicht laut. Bantling war inzwischen fast zwei Wochen verschwunden, und niemand hatte die Presse benachrichtigt. Niemand hatte eine Warnung an die Bevölkerung ausgesprochen. Nur die ganz hohen Tiere in den allerwichtigsten Behörden waren überhaupt informiert, dass er geflüchtet war. Gleich nachdem Artemis abgezogen war, hatte Daria sich mit Vance in Verbindung gesetzt, und der hatte ihr schlichtweg befohlen, die Sache geheim zu halten – unter dem Vorwand, eine «allgemeine Panik» zu vermeiden. Für sie klang das ganz gewaltig nach Vertuschen.
«Vor allem wird man wissen wollen, warum er überhaupt nach Miami verlegt wurde, Vance», sagte sie zögernd.
«Falls jemand diese Frage stellt, lautet die Antwort: ‹Er hat mit uns im Rahmen einer anderen Ermittlung kooperiert.› Punkt. Ende der Durchsage.»
«Gut. Nächste Frage: Was für eine Ermittlung?»
«Sprechen Sie mir nach: ‹Die betreffende Ermittlung läuft noch, und wir sind nicht befugt, über laufende Ermittlungen zu reden.› Anschließend gehen Sie. Oder legen auf. Wechseln das Thema. Was weiß ich. Auf keinen Fall will ich irgendwen, der ein Mikro oder eine Kamera in der Hand hat, das Wort ‹Snuff-Club› sagen hören. Das löst dann nämlich wirklich eine Scheißpanik aus. Und falls so ein kranker Verein tatsächlich existieren sollte, wird er sich noch viel tiefer in seiner Höhle verkriechen. Apropos, Daria, haben Sie schon irgendwelche Anfragen bekommen? Von der Presse?»
«Ich? Nein.»
«Gut. Das heißt, der Herald hat keinen Schimmer, bei welchem Fall Bantling eventuell kooperiert haben könnte. Ich glaube, im Moment suchen die nur die Bestätigung, dass er tatsächlich verschwunden ist. Da hat wohl jemand von der Gefängnisbehörde geplaudert.»
«Was ist mit unserem Deal? Kommt der auch raus?»
«Es gibt nichts Schriftliches darüber.» Vance schob seinen Tacker an einen neuen Ehrenplatz auf der anderen Seite des Schreibtischs. «Ich weiß nur, dass er bei einer laufenden Ermittlung kooperieren wollte. Deals gab es keine, weil wir noch nichts vereinbart hatten.»
«Aber, Vance, wenn sein Anwalt mit der Presse spricht, dann stehen wir mit dieser … Absichtserklärung ganz schön schlecht da.»
Sie redeten ständig um den
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