Argus #5
SMART – Sentencing, Monitoring, Apprehension, Registering and Tracking – war im Justizministerium für das Verurteilen, Überwachen, Erfassen, Registrieren und Auffinden von Sexualstraftätern zuständig.
«Ja, aber das ist Montag und Dienstag», sagte Daria. «Am Dienstagabend bin ich wieder hier.»
«Und wann fahren Sie nach Orlando?»
«Am Sonntag.»
«Nehmen Sie bloß keine Anrufe von Reportern an.»
«Ich rede nie mit Reportern, bei keinem meiner Prozesse.»
«Sind Sie auf Ihre Antragsverhandlung vorbereitet?»
Und damit hatte sich das Possessivpronomen einfach so wieder verändert.
Einen Moment lang musterte Daria ihren Chef eingehend. Da war sie, die Möglichkeit, sich zumindest auf beruflicher Ebene wieder reinzuwaschen: Sie musste den Fall Lunders gewinnen. «Bis dahin schon», antwortete sie. «Die Durchsuchung des Mercedes war rechtskräftig, selbst wenn Marie Modic nicht aussagt.»
Daria hatte die Nageldesignerin immer noch nicht ausfindig machen können. Der Hurrikan erschwerte alles noch, weil die junge Frau in Hallendale wohnte, das besonders stark von Artemis getroffen worden war. Etliche Häuser hatten große Schäden erlitten. Strom gab es zwar inzwischen wieder, doch zahllose Privathäuser und Betriebe standen leer, darunter auch das Studio, in dem die Gesuchte früher gearbeitet hatte. Viele Anwohner würden gar nicht mehr zurückkehren. Da konnte es äußerst schwierig werden, Marie Modic aufzutreiben. «Der Richter hat den Durchsuchungsbeschluss unterschrieben», fuhr sie fort. «Der ganze Ablauf war völlig korrekt. Ich brauche Marie Modic nicht, um den Beschluss zu stützen.»
Vance nickte.
Sie wandte sich zur Tür. «Sagen Sie mir Bescheid, falls sich mit dem Herald noch was tut.»
«Ich kann nur hoffen, dass die Richterin Ihre Einschätzung teilt …», sagte der Chief Assistant, als Daria nach der Klinke greifen wollte.
Sie drehte sich wieder um. Er starrte auf den Bildschirm.
«… ich glaube nämlich, Ms. Modic wird tatsächlich nicht in der Lage sein, eine Zeugenaussage zu machen. Heute Morgen wurde ihre Leiche in einem Müllcontainer vor einem abrissreifen Hotel am Strand von Fort Lauderdale gefunden, unter einem halben Meter Hurrikanschutt.» Vance deutete mit dem Kopf in Richtung Monitor. «Sie ist tot.»
43
B antling ist raus, Dom.»
Dominick Falconetti rieb sich die Augen und blickte aus dem Flugzeugfenster. Dichte Wolken verdeckten die Metropole Los Angeles, die sich irgendwo weit unter ihm ausbreitete, vielleicht war es aber auch der Smog. Das Telefonat, das er tags zuvor mit Manny Alvarez geführt hatte, hallte immer noch in ihm nach wie ein unwirklicher Traum.
«Was meinst du denn mit ‹raus›?»
«Verschwunden, meine ich. Weg. Entkommen. Flüchtig. Er ist raus, Dom.»
«Wie zum Teufel kann man denn aus der Todeszelle entkommen?»
«Kann man nicht. Bantling war gar nicht mehr in der Todeszelle, Dom. Er war wieder in Miami und saß im Bezirksgefängnis.»
Dominick leerte rasch sein Bier, weil die Stewardess sich mit der Abfalltüte näherte. Es war einfach nicht zu fassen. Wie konnte man einen verurteilten Serienmörder mit einem harmlosen Einbrecher verwechseln, der einen ähnlichen Nachnamen hatte, ihn erst in den falschen Bus setzen und dann mitten in einem Hurrikan einfach laufenlassen? Wie kam so eine Riesenstümperei überhaupt zustande?
«Aber seiner Berufung wurde nicht stattgegeben, Manny. Ich habe die verdammte Urteilsbegründung doch selbst gelesen. Was zum Geier hat er wieder in Miami gemacht?»
Und dann hatte Manny ihm die ganze Geschichte erzählt. Ausgerechnet die Staatsanwaltschaft von Miami – jene Behörde, in die C. J. elf Jahre lang ihr ganzes Herzblut, ihre ganze Energie gesteckt hatte: Die hatte nun beschlossen, mit dem Monster, das sie hinter Gitter gebracht hatte, zu verhandeln, und es einfach entkommen lassen.
«Wieso hört man davon nichts in den Nachrichten, Manny? Cupido flüchtig? Ein Snuff-Club, der für mehrere Morde verantwortlich sein soll? Ein korrupter Oberster Landesrichter, der Todesurteile manipuliert und selbst Mitglied in diesem Snuff-Club ist? Wie kann es sein, dass Bill Bantling seit fast zwei Wochen verschwunden ist und ich es erst jetzt erfahre, und zwar von dir? Nicht von der Gefängnisbehörde oder vom FBI? Warum sind nicht alle Sender voll davon?»
«Du weißt doch, wie das läuft, Dom. Die hohen Tiere wollen ihn erst finden, bevor sie öffentlich zugeben, dass sie Scheiße gebaut haben und er
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