Argus #5
heißen Brei herum, und Daria war es leid. Dieser heiße Brei hatte sie schon ihre Beziehung zu Manny gekostet, privat wie beruflich. Obwohl sie immer noch beide am Fall Lunders arbeiteten, rief er sie nie zurück und kommunizierte ausschließlich über E-Mail oder SMS mit ihr. Die bittere Ironie daran entging ihr nicht. Seit dem Hurrikan hatte sie mindestens ein Dutzend Mal versucht, ihn anzurufen, aber er nahm einfach nicht ab. Sie war zu ihm nach Hause gefahren, hatte auf dem Revier vorbeigeschaut: nichts. Sie hinterließ ihm zahllose Nachrichten, aber wenn es nicht gerade um Lunders ging, reagierte er nicht einmal. Anfangs hatte sie noch gehofft, er würde sich beruhigen und alles könnte wieder so werden wie vorher, aber das war nicht der Fall, und es sah auch nicht so aus, als wollte er es überhaupt versuchen. Es war vorbei. Sie musste es nur noch akzeptieren.
Ich bin ein Idiot … Weil ich dachte, du wärst anders als diese ganzen ruhmgeilen Staatsanwälte aus deinem Scheißbüro. Dabei willst du auch nur ins Rampenlicht. Und du glaubst, Cupido verschafft dir die Eintrittskarte …
Sie hatte den Vorwurf einfach weggewischt, aber … Stimmte es vielleicht? Lag Manny richtig? Neuerdings hatte Daria viel Zeit, um nachzudenken und ihr eigenes Verhalten zu analysieren. Eigentlich hielt sie sich nicht für hungrig nach medialer Aufmerksamkeit, aber bisher war natürlich auch noch keiner ihrer Fälle besonders medienwirksam gewesen. Dann kam der Fall Talbot Lunders, und der konnte sie nicht nur zur neuen Leiterin der Abteilung für Sexualdelikte machen, sondern womöglich auch zur nächsten Linda Fairstein, zum nächsten Vincent Bugliosi, zur nächsten Kimberly Guilfoyle, lauter Staatsanwälten, die mit sensationellen Mordprozessen Schlagzeilen gemacht und diesen Ruhm dann zu einer Medienkarriere ausgebaut hatten. Nur war es nicht der hübsche Talbot, der Daria die rare, begehrte, internationale Berühmtheit und Anerkennung einbringen würde, die sie angeblich gar nicht haben wollte. Sondern Cupido.
Und Tatsache war: Sie hatte sich darauf gestürzt.
Sie hatte nicht protestiert, als Vance mit diesem Monster in Verhandlungen getreten war. Sie war sogar noch einmal mitgefahren ins Florida State Prison. Sie hatte alles mitgemacht, in der Hoffnung, Bantling würde einen Namen nach dem anderen ausspucken. In der Hoffnung, ihre Ermittlungen würden zu ein paar bekannten Politikern oder anderen Prominenten führen, die weltweit Aufmerksamkeit erregten. In der Hoffnung, sie könnte sich damit direkt in die nächsthöhere Umlaufbahn des Staatsanwaltsdaseins katapultieren. Dass sich ihr damit viele Türen öffnen würden, ließ sich nur schwer verleugnen. Allein die Tatsache, Anklägerin im Prozess gegen einen Snuff-Club zu sein, reichte, um die Kameras anzulocken. Und dann auch noch Cupido als Kronzeuge – damit könnte Daria berühmt genug werden, um sich nach Prozessschluss eine Stelle als Expertin bei Good Morning America oder bei Court TV zu sichern. Oder noch besser, eines Tages ihre eigene Fernsehsendung zu haben, nach dem Vorbild von Nancy Grace. Sie konnte sich selbst nicht weismachen, dass ihr solche Gedanken nie gekommen waren. So blöd es auch klang: Einmal hatte sie sogar schon vor dem Badezimmerspiegel ihren Gastkommentar geprobt und gefunden, dass sie sich ziemlich gut anhörte.
Sie hatte sich selbst und ihre Integrität verraten und dazu noch ihre vermutlich beste Chance auf eine Beziehung mit einem netten, lustigen Mann, der wirklich etwas für sie empfand. Und alles nur für das Hirngespinst, ein juristischer Superstar zu werden. Das war ein furchtbares Gefühl. Und nun musste sie auch noch mit dem leben, was sie da angerichtet hatte. Das war das eigentlich Verheerende. Manny hatte recht: Es ging auf ihre Rechnung. Wenn Bantling auf der Flucht irgendetwas anstellte – wenn er raubte, stahl, ein Auto klaute, jemanden vergewaltigte … Sie schluckte den dicken Kloß in ihrer Kehle. Er war ein Serienmörder . Sie sollte das korrekte Verb benutzen: Wenn er wieder jemanden ermordete – dann ging auch das auf ihre Rechnung. Sie wäre dafür verantwortlich. Und ob sie damit leben konnte, das wusste sie nicht.
«Henry Davies sagt bestimmt nichts», erwiderte Vance ungerührt. «Er weiß, falls er das tut, braucht er sich nicht einzubilden, dass unser Büro jemals wieder einen Deal mit einem seiner Mandanten oder auch mit denen seiner Kollegen beim CCR macht.»
Daria schwieg einen weiteren, endlosen
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