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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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dafür hätte sie mindestens fünfundzwanzig Jahre gekriegt. Masterson hätte einen Deal gemacht, indem er C. J. ans Messer liefert, Bantling wäre freigekommen, und C. J. wäre hinter Gittern gelandet. Deshalb habe ich …»
    An dieser Stelle hatte Manny ihm das Wort abgeschnitten. Genau da – bevor er zu viel sagen konnte, als ob er das nicht ohnehin schon getan hätte. Genau da – bevor er sich in die dunkelgraue Zone verirrte, die außerhalb der Grenzen aller Freundschaft lag.
    Manchmal, wenn ein Verdächtiger endlich gesteht, kommen dabei gleich alle anderen Missetaten mit hoch, die er in seinem Leben begangen hat. Dominick war klar, dass Manny es kommen hörte: das Große Geständnis. Und ihm war auch klar, dass Manny es nicht hören wollte, denn solange er nichts gehört hatte, konnte er weiter so tun, als wüsste er von nichts. Er konnte einfach weiter so tun, als hätte er keine Ahnung, wie es eigentlich dazu gekommen war, dass Special Agent Chris Masterson mit einer Kugel im Kopf und seiner eigenen, kalten Dienstwaffe zwischen den schlaffen Fingern geendet war.
    «Manchmal gibt es keine Gerechtigkeit, Dom. Manchmal muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen – das ist mir klar. Manchmal muss man es selber richten, weil das System einem keine Gerechtigkeit geben will. Mehr sage ich dazu nicht, und mehr will ich auch nicht darüber hören.»
    Damit war das Telefonat beendet gewesen. Dominick hatte die letzte Flasche Bier im Kühlschrank geleert und dann für den nächsten Morgen den ersten Flug nach L.A. gebucht. Nach dem Gespräch mit Manny war er beschwipst, aber doch nicht betrunken genug, um sich nicht an alles zu erinnern, was er gesagt hatte. Und sich nicht über die möglichen Folgen klar zu sein. Komischerweise war er vor allem erleichtert. Zum ersten Mal seit sieben Jahren hatte er wieder über den Abend gesprochen, an dem er Chris Masterson kaltblütig erschossen hatte. Kein Tag verging, ohne dass er die Situation im Kopf noch einmal durchspielte, mit seinem Gewissen darüber verhandelte, was er anders hätte machen können, anders hätte machen sollen. Aber er hatte nie mit jemandem darüber gesprochen. C. J. war dabei gewesen, sie hatte alles gesehen, und trotzdem sprachen sie nicht darüber, so wie sie auch nicht über die Vergewaltigung und den Cupido-Prozess sprachen. Solange sie über diese Dinge nicht redeten, war es, als könnten sie die Tatsachen im eigenen Kopf doch noch irgendwie verändern.
    Vielleicht wollte Masterson ja tatsächlich zur Waffe greifen. Vielleicht hatte Dom wirklich gesehen, wie er mit der Hand nach der Pistole tastete. Vielleicht …
    In Wahrheit aber wussten sie beide ganz genau, was in jener Nacht geschehen war. Und sie hatten beide jedes Wort gehört, das Chris Masterson sagte. Sie waren beide Mitwisser eines dunklen Geheimnisses, und trotzdem hatten sie nie darüber gesprochen. C. J. hatte ihren Anteil Schuld geschultert, er seinen. Vielleicht war sie ja deswegen gegangen: Ihr Rückgrat hatte zuerst nachgegeben.
    Die Stewardess kam den Gang entlang, um sich zu vergewissern, dass alle die Tische hochgeklappt und ihre elektronischen Geräte ausgeschaltet hatten. Dominick sah Wolkenkratzer, und in der Ferne meinte er den Strand zu erkennen. Kurz vor dem Auflegen hatte er Manny noch versprochen, C. J. ausfindig zu machen und ihr selbst von Bantling zu erzählen. Damit sie es nicht vom FBI oder den US Marshals erfahren musste. Und auch nicht von Manny.
    Er wusste, wo sie war. Er wusste, wie sie zu erreichen war. Er hätte einfach anrufen und sich den Schmerz ersparen können, sie zu sehen. Aber er brachte es einfach nicht über sich, ihr diese Nachricht am Telefon durchzugeben. Wenn sie hörte, dass Bantling entkommen war, würde sie in Panik geraten. In eine Spirale der Angst. Und sie war ganz allein dort in Kalifornien, wieder einmal allein zwischen lauter bösen Menschen.
    In den vergangenen fünfzehn Monaten ohne C. J. hatte Dominick reichlich Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, warum sie nicht mehr bei ihm war. Warum er geglaubt hatte, es wäre alles in Ordnung, während sie im Nebenzimmer die Koffer packte. Wie hatte er bloß so falschliegen können? Und je mehr er nachdachte, desto mehr Anzeichen entdeckte er. Ihre Albträume, die immer schlimmer statt besser wurden. Die ängstlichen Blicke über die Schulter, als rechnete sie jeden Moment damit, dass hinter ihr jemand aus dem Gebüsch sprang. Ihre Lauf-Manie: immer schneller, immer weiter,

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