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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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er weniger. Zum anderen wirkte er als riesiger, stämmiger kahler Kubaner mit dichtem schwarzem Schnurrbart und dichten schwarzen Augenbrauen, die ständig gerunzelt waren, ziemlich bedrohlich. Die meisten Angeklagten überlegten es sich zweimal, ob sie sich mit ihm anlegen wollten. Womit er schneller zu Geständnissen kam als die meisten seiner Kollegen. Außerdem gefiel es anscheinend den Ladys. Dreimal war Manny verheiratet gewesen, ohne ein einziges Haar auf dem Kopf gehabt zu haben, als er seine drei Ex-Frauen kennenlernte, somit war klar, dass die Glatze ihm keineswegs die Chancen vermasselte.
    Dickerson schnaubte und schüttelte wieder seine Zeitung. «Hast du nicht einen Mord aufzuklären, Manuelo ?»
    «Bin gerade auf dem Weg zum Gericht», antwortete Manny und zog sich das Sakko über.
    «Wo hast du bitte das Ding ausgegraben?»
    «Was denn?»
    «Die Jacke.»
    «Die Staatsanwaltschaft wollte, dass ich mich schick mache. Gefällt’s dir nicht?»
    «Sind das Flicken an den Ellbogen?»
    «Sehr witzig. Das sind keine Flicken, Pops. Das Ding ist original …», Manny warf einen Blick auf das Etikett in der Jacke, «… Haggar. Habe ich mir in der Aventura Mall besorgt.» Er zuckte die Schultern. «Ich finde meinen guten Anzug nicht. Muss noch in der Reinigung sein, seit dem letzten Prozess.»
    «Schicke Krawatte.»
    Manny wedelte mit der Spitze der blau-grünen Krawatte, die mit winzigen Football-Helmen der Miami Dolphins gemustert war. «Danke.»
    Dickerson verdrehte wieder die Augen. «Und was machst du im Gericht?»
    «Ich habe ein Arthur Hearing .» Arthur Hearing hieß in Florida der Haftprüfungstermin innerhalb des Vorverfahrens, bei dem über eine eventuelle Kaution verhandelt wurde und die Termine festgesetzt wurden.
    Dickerson grinste anzüglich. «Ich wette, dein Staatsanwalt hat ein Paar hübsche Haxen und einen weiblichen Vornamen.»
    «Wer zum Teufel sagt so was wie ‹Haxen›?»
    «Du würdest nicht mal zur Beerdigung deiner Mutter freiwillig ein Jackett anziehen.»
    «Jedenfalls nicht im Juni in Miami. Verdammt, für so was haben wir Kubaner das Guayabera-Hemd erfunden, Pops. Schick, wenn’s sein muss, und trotzdem kühl und bequem. Aber du hast recht – der Staatsanwalt ist eine Sie. Und sie hat tatsächlich hübsche Beine. Nicht dass ich hingesehen hätte.»
    «Wusste ich’s doch», antwortete Dickerson mit dem gleichen anzüglichen Grinsen.
    «Du kannst mich mal, alter Mann. Du hast ja keine Ahnung.»
    «Welchen Fall hast du? Die Kleine aus dem Müllcontainer?»
    «Ja. Sie heißt Holly Skole.»
    «Hab die Fotos auf deinem Tisch gesehen.»
    «Tut mir leid.»
    «Wusste nicht, dass ihr schon einen Verdächtigen habt. Ist er was wert?»
    «Ich will hier nicht über ungelegte Eier reden; so was geht immer schief. Du hast die Bilder gesehen – der Kerl ist ein Monster. Er muss zahlen für das, was er getan hat.»
    «Ausnahmsweise sind wir uns einig, junger Jedi.»
    Manny lachte. «Ausnahmsweise.» Dann nahm er seinen Ordner und machte sich auf den Weg aus dem Mannschaftsraum des Morddezernats hinein in das kontrollierte Chaos des restlichen Reviers.
    «Ruf mich an, wenn du einsam bist, Sonnyboy», rief Dickerson ihm nach, bevor er sich wieder in seine Zeitung vertiefte. «Ich habe nur noch einhundertdreiundachtzig Tage übrig. Genügend Zeit, um von deinem Meister zu lernen …»
    Die Stimme des alten Mannes wurde von der lärmenden Meute auf dem Flur verschluckt. Manny hatte früh gelernt, dass man sich nie auf die Eindeutigkeit eines Falls verlassen oder ein Urteil vorhersagen durfte. Kein Fall war wasserdicht, schon gar nicht dieser. Manny musste seinen Fall vorbereiten, als wollte er ein Haus bauen, wenn ein Hurrikan im Anmarsch ist – langsam, sorgfältig, mit einem starken Fundament.
    Er setzte sich die Sonnenbrille auf und trat hinaus in die sengende Hitze. Es war gerade mal Juni, und die Luftfeuchtigkeit lag bereits bei 95 Prozent. Er spürte, wie seine Achseln zu triefen begannen, als er den dampfenden Asphalt des Parkplatzes überquerte.
    Bienvenido a Miami.

5
    D ienstagnachmittags um 13 Uhr 30 ging es im Gerichtsgebäude von Downtown Miami wieder relativ ruhig zu. Das hektische Morgenprogramm war erledigt, und die Angeklagten, Opfer, Zeugen, Angehörigen, Verteidiger, Staatsanwälte und Polizisten waren fort – ihre Fälle wurden an anderen Tagen weiterverhandelt, bei weiteren Haftprüfungsterminen, Anhörungen, Statusbesprechungen, bis die Hauptverhandlung schließlich

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