Argus #5
gedauert. In der unteren rechten Ecke des Bildschirms waren kleine rote Ziffern zu sehen: 29:12:14 und 11/07/06.
«Mein Gott», sagte Daria, als sie sich wieder setzte. «Was zum Teufel –?»
Manny runzelte die Stirn. «War das alles? Oder gibt es noch mehr?»
«Nein. Nur diesen Clip», antwortete Abby. «Wie gesagt, ich wusste zuerst auch nicht, was das ist. Ich bin sicher, dass ich diese Frau nicht kenne und auch den Mann nicht, selbst wenn sein Gesicht nicht zu sehen ist. ‹Warum schickt mir jemand so etwas?›, dachte ich. Aber nach dem heutigen Tag, nach dem, was ich im Gerichtssaal gehört habe, verstehe ich. Ich glaube, das ist der kleinen Skole passiert. Das haben Sie heute im Gerichtssaal beschrieben, Detective. Die kleine Skole war an den Handgelenken gefesselt, man hat Substanzen in sie hineingespritzt, und sie wurde vergewaltigt. Genau das, was dem Mädchen auf diesem Video angetan wird, wie es aussieht. Und jemand schickt es mir ? Offensichtlich weil die wissen, dass Talbot es nicht gewesen ist.»
«Vielleicht ist das auf dem Video Ihr Sohn, Ma’am», sagte Manny und zeigte auf den Bildschirm. «Der gleiche Körperbau. Vielleicht will Ihnen jemand zeigen, dass Ihr Sohn so was schon mal getan hat.»
Abby hob die Stimme. «Erstens ergibt das überhaupt keinen Sinn. Warum schickt man es mir? Warum nicht Ihnen ? Dann hätten Sie wenigstens einen Beweis für Ihre verdrehten, kranken Anschuldigungen.»
Daria nickte. «Es könnte ein Erpressungsversuch sein.»
Abby runzelte die Stirn. «Erpressung? Es wurde kein Geld gefordert. Geht es bei einer Erpressung nicht um Geld?»
«Wir wissen nicht, ob es überhaupt etwas zu bedeuten hat», fuhr Daria fort. «Es könnte genauso gut ein Heimvideo sein, ein selbstgedrehter Porno. Zugegeben, es ist Hardcore, aber es gibt kein Gesetz, das Heimvideos verbietet, solange alle Beteiligten volljährig und einverstanden sind.»
«Jetzt hören Sie aber auf, Ms. DeBianchi», gab Abby zurück. «Das hier ist nicht irgendein Paris-Hilton-Sextape, das mehr oder weniger unfreiwillig an die Öffentlichkeit gelangt. Sie haben das Gesicht der Frau doch gesehen. Sieht sie aus, als würde es ihr Spaß machen? Sie hat Todesangst, das sehen Sie so gut wie ich.»
Daria kniff die Augen zusammen. «Sie würden staunen, was die Leute hinter geschlossenen Vorhängen tun, Mrs. Lunders. Und welche Phantasien sie ausleben, wenn der Camcorder läuft. Ich meine nur, wir können uns nicht sicher sein, was wir hier vor uns haben, und ich will keine übereilten Schlüsse ziehen. Wir wissen nicht, aus welchem Grund man Ihnen dieses Video geschickt hat oder wer der Absender ist.»
«Sagen Sie ruhig, was Sie denken. Kommen Sie – spucken Sie’s aus», sagte Abby. «‹ Falls man es Ihnen geschickt hat›, wollten Sie doch sagen. Was, glauben Sie, habe ich getan? Im Internet gesurft, um ein bizarres Sadomaso-Video zu finden, das ich Ihnen als Zwillingstat verkaufen kann, in dem haarsträubenden Versuch, meinen Sohn zu retten? Bitte, sehen Sie auf meinem Computer nach. Bedienen Sie sich. Ich flehe Sie an. Überprüfen Sie mein E-Mail-Konto. Tun Sie, was Sie als Staatsbedienstete tun müssen, die geschworen haben, das Gesetz hochzuhalten und Verbrechen aufzuklären. Denn auch wenn ich kein Detective bin, habe ich den Eindruck, dass da draußen jemand frei herumläuft, der die Art von Verbrechen begeht, die man meinem Sohn vorwirft – und ich bin mir ganz sicher, dass der Mann auf dem Video nicht mein Sohn ist.»
«Wie können Sie da so sicher sein, Mrs. Lunders?», fragte Manny.
«Abgesehen von der Tatsache, dass ich seine Mutter bin und seinen Körper so gut kenne wie meinen eigenen – zum Beispiel hat er ein ziemlich auffälliges braunes Muttermal aus Sommersprossen in Form einer flatternden Flagge zwischen den Schulterblättern, das bei dem Monster auf diesem Video fehlt –, ist da außerdem eine Zeit- und Datumsangabe in der Ecke. Und am 7. November 2006 war mein Sohn zufälligerweise Patient des Good Samaritan Hospital in Palm Beach, wo ihm der Blinddarm entfernt wurde. Also, nein, das ist nicht mein Sohn auf dem Video. Und ich glaube, es ist Ihre Aufgabe herauszufinden, wer es ist und warum jemand auf die Idee kommt, mir dieses Video zu schicken.»
10
W enn das ein Zufall sein soll …», murmelte Daria, als Abby Lunders und ihre protzige, neiderregende elefantengraue Krokodilleder-Birkin-Bag das Büro schließlich verlassen hatten.
«Was?», fragte Manny.
«Nicht nur,
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