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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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folgen, die die trauernde, sexy Mutter des Beschuldigten ausgelegt hatte, sah Daria die Katastrophe kommen. Zehn Jahre waren vergangen, seit der Serienkiller Cupido seine hübschen Opfer aus angesagten Clubs in Miami Beach verschleppt hatte, und doch prägten seine Verbrechen immer noch das Bild, das die Welt von Miami hatte – so wie die Promis, die Yachten, das türkise Meer und die kubanischen Flüchtlinge. Dann war da noch ein weiteres Monster, Picasso, der vor ein paar Jahren junge Ausreißerinnen überall im Süden Floridas ermordet und mit seinen Untaten die Schlagzeilen beherrscht und Hysterie verbreitet hatte. Und natürlich der aufsehenerregende Mord an Gianni Versace 1997 in South Beach, nur wenige Schritte vom weißen Strand entfernt. Versaces Ermordung und die Jagd auf Andrew Cunanan hatte mehrere Monate lang die Welt in Atem gehalten und die Reporter an den Rand der Ekstase gebracht. Drei relativ neue blutige Flecken auf dem sonnengebräunten Ruf einer kosmopolitischen Stadt, die eine unerhörte Menge Touristendollars an ihre goldenen Strände, in ihre schicken Hotels und ihr aufregendes Nachtleben lockte. Es wäre keine gute Werbung, wenn bekannt würde, dass es nicht nur einen weiteren sadistischen Mörder in der Stadt gab, sondern dass die Polizei den Verdacht hatte, der Mörder könnte noch auf freiem Fuß sein, sich just an den Hotspots nach neuen Opfern umsehen und anschließend grausige Videos über seine Eroberungen drehen.
    Daria kaute am Daumennagel und starrte hinaus auf das Gefängnis, in dem Talbot Lunders saß. Sie hatte die schlechte Angewohnheit, sich in jeder Situation das Worst-Case-Szenario auszumalen und es anschließend exponentiell zu multiplizieren – bis sie sich ohne Job und ohne Dach über dem Kopf sah.
    Tatsache war, falls dieser Fall zu einem Zirkus wie bei Cupido oder Versace wurde oder, schlimmer noch, ein verpfuschter O. J. Simpson, der ihr durch die Finger glitt, dann konnte sie Colliers Segen vergessen. Und selbst wenn sie vielleicht nicht auf der Straße landete, wären ihre Chancen, Leiterin der Abteilung für Sexualdelikte oder irgendeiner anderen Abteilung zu werden, doch gleich null. Dann würde sie für immer als Anklägerin vor Gericht ziehen müssen. Eine Veteranin im Leerlauf. Wie eine Hollywood-Schauspielerin, die nur diese eine Gelegenheit im großen Kino hatte, wusste sie, dass dieser Fall ihre einzige Chance war. Und das bedeutete, sie musste die Zügel in der Hand behalten und dafür sorgen, dass, was immer Manny Alvarez tat, um sein Gewissen zu beruhigen, nicht an die Öffentlichkeit kam und ihr nicht den Fall vermasselte.
    Sie sah auf die Uhr: Es war fast acht. Der Tag war so gut wie vorbei, und sie hatte immer noch jede Menge zu tun. Über den Everglades ging die Sonne bereits unter und tauchte das Gefängnis in ein ätherisches mandarinenfarbenes Licht. Abgesehen von dem Stacheldraht und den vergitterten Fenstern und abgesehen von dem Wissen um seine gewalttätigen, niederträchtigen Bewohner sah das sonst so schmuddelige, karge Gefängnisgebäude fast einladend aus. Wie Draculas Schloss, zwanzig Minuten vor Sonnenuntergang.
    Daria hatte gerade die oberste Akte aus ihrem Eingangskorb genommen, als die Zeitbombe, die Manny Alvarez in ihrem Kopf hinterlassen hatte, endlich explodierte. Ein Sperrfeuer unbeantwortbarer Fragen zerriss ihre Gedanken: Was, wenn wirklich mehr dahintersteckte als ein abartiges einvernehmliches Sadomaso-Video, das Abby Lunders ihnen zugespielt hatte? Was, wenn an Mama Lunders’ Theorie eines unbekannten wahnsinnigen Mörders tatsächlich etwas dran war? Was dann?
    Sie fuhr sich durchs Haar und holte tief Luft.
    Ihr müdes Hirn schaffte es nicht mal ansatzweise, sich die exponentielle Multiplikation dieses Worst-Case-Szenarios vorzustellen …

11
    D ie Grand Jury beratschlagte dreißig Minuten, bevor sie einstimmig entschied, dass Talbot des Mordes angeklagt werden sollte. Während die Anklageerhebung selbst kaum eine Überraschung darstellte, war die Geschwindigkeit, mit der die Jury zu ihrer Entscheidung kam, erstaunlich; Manny war noch nicht einmal zurück in seinem Büro, als Guy Kuzak anrief. Es blieb zu hoffen, dass der Rest des Falls ebenso rasch durch das System ging, und trotzdem wurde Manny die Vorstellung von «Ruhe vor dem Sturm» nicht los. Es war ein Bauchgefühl. Von dem Augenblick an, als ihre Leiche aus dem Container gefischt wurde, war der Mord an Holly ein Schocker gewesen – angefangen mit dem

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