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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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gingen auch bedeutend früher. Daria hatte die nötigen Opfer erbracht: Es gab keinen Freund, keine Hobbys, kein Privatleben, bis auf das Babysitting bei den hyperaktiven Drillingen ihres Bruders an ihrem ersten langen Wochenende seit Weihnachten.
    Wäre es ein simpler Mordfall, den sie gewinnen musste, um zu beweisen, dass sie eine ganze Abteilung spezialisierter Ankläger leiten konnte, würde sie sich keine Sorgen machen. Der Fall gegen Talbot Lunders fußte zwar auf Indizien, doch in ihrer Fülle war die Beweislage vernichtend. Wie einer ihrer Juraprofessoren es einmal ausgedrückt hatte: Ein Indizienprozess hatte viel mit einem Apfelstrudel gemein – während eine Lage des hauchdünnen Teigs das Gewicht von zehn Äpfeln nicht tragen konnte, ergab sich, wenn man sorgfältig Lage über hauchdünne Lage schichtete, irgendwann ein Teig, der einen ganzen Scheffel trug. Das Geheimnis waren die sorgfältige Konstruktion und der Ofen, in den man den Strudel am Ende schob. Er musste auf die perfekte Temperatur gebracht werden, bevor das Blech hineinkam, und diese Temperatur musste während der ganzen Backzeit gehalten werden. In der Analogie stand der Ofen natürlich für die Geschworenen, die aufgeheizt sein mussten, bevor man die Ofentür öffnete, bereit, alles, was man hineinschob, knusprig zu backen. Zu kühl, und der Teig wurde nicht richtig gar. Da in Florida auf Mord die Todesstrafe stand – und bis vor ein paar Jahren die bevorzugte Vollzugsmethode der gute alte elektrische Stuhl gewesen war –, kam der Backofenvergleich ihres Professors natürlich nicht von ungefähr. Mit anderen Worten: Man musste genau die richtigen zwölf Leute finden – von denen keiner CSI oder Navy CIS sah –, genau den richtigen Grad an Empörung und Entsetzen bei ihnen auslösen, und wenn man die versammelten Tatsachen durch die Tür des Geschworenenzimmers geschoben hatte, nur noch warten, bis die Eieruhr klingelte.
    Das war kein Problem für Daria. Bei der Auswahl der Geschworenen hatte sie ein Händchen, eine Art sechsten Sinn. Sie machte sich keine Sorgen wegen Lunders’ Verurteilung, auch wenn Manny Alvarez den Cowboy gespielt und eine voreilige Verhaftung vorgenommen hatte, wie die Verteidigung zweifellos weiter argumentieren würde. Mit den Fakten, die ihr beim Arthur Hearing vorlagen, würde sie mühelos den gewünschten Grad an Entrüstung im Geschworenenzimmer entfachen können, und obwohl die Indizienlage dünn war, hatte sie doch genügend Teigschichten, die zusammengenommen die Forderung nach der Todesstrafe tragen würden. Die grausigen Tatortfotos würden die Hitze im Ofen schüren. Und mochte die Konkurrenz, gegen die sie antrat, noch so gut bezahlt sein, in Downtown Miami war sie nicht in ihrem Element. Joe Varlack war ein Entertainer mit lauter Stimme, der wahrscheinlich lange keinen Kriminalfall mehr persönlich ausgefochten hatte. Daria würde ihn und seine hübsche Begleitung zum Frühstück verspeisen, mitsamt den Louboutins und der Aktentasche. Sie war auch zuversichtlich, dass sie Talbot Lunders’ hübsches Gesicht aus der Presse heraushalten konnte, zumindest von den Titelseiten, und die ganze Sache diskret halten könnte, so wie es der State Attorney wünschte. Das Fehlen der Kameras am heutigen Nachmittag im Gerichtssaal konnte als Indiz gewertet werden, dass der Fall noch nicht durchgesickert war.
    Anders als andere Staatsanwälte, die sich mit gewissen Fällen auch außerhalb der Behörde einen Namen machen wollten, war Daria alles andere als scharf aufs Rampenlicht. Falls Lunders am Ende nicht doch einen Deal wollte – wie neunzig Prozent der Fälle, die das System durchliefen –, würde sie die Hauptverhandlung nicht vor laufenden Kameras führen. Das Gericht der öffentlichen Meinung konnte jedes Urteil auf den Kopf stellen, wie O. J. Simpsons Ankläger bestätigen konnten. Daria redete sich ein, solange sie nicht zur Presse ging, würde die Presse auch nicht zu ihr kommen. Beziehungsweise zu Talbot Lunders. Es gab zu viele andere schlimme Schlagzeilen. Zu viele schreckliche Tragödien auf der Welt, zu denen die Fernsehzuschauer morgens ihren Kaffee tranken.
    Es sei denn  …
    Es sei denn, jemand stieß die Reporter und ihre Tonangeln mit der Nase auf eine Geschichte, an der alles dran war, was das große Publikum verlangte: perverser Sex, brutaler Mord und Birkin-Bag-Glamour. Und ritt so lange darauf herum, bis endlich irgendwer mit Presseausweis reagierte.
    Sollte Manny den Brotkrumen

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