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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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habe Havanna mit fünf verlassen, auf einem sechs Meter langen Fischerboot ohne Motor, zusammen mit zwanzig anderen Leuten. Seit ich in Key Biscayne den Fuß an Land gesetzt habe, habe ich nur noch Englisch gesprochen. Was du da redest, ist Großmutter-Englisch, du alter Knacker. Aber du hast recht. Ich schick das Ding an die BAU. Schaden kann’s nicht.»
    «Nein. Bestimmt nicht.» Mike ging wieder an seinen Schreibtisch zurück. Dann blieb er stehen und kehrte noch einmal um. «Weißt du was, das mit dem NCIC könnte ich für dich übernehmen. Vielleicht setze ich mich selbst mit den Kollegen in Verbindung, die da oben für die ungeklärten Fälle verantwortlich sind, und klopf mal auf den Busch.»
    «Hast du nicht selbst genug zu tun?»
    «Nein, geht schon. Ich hab Zeit. Und es sieht so aus, als bräuchtest du Hilfe.»
    Mike Dickerson war nicht der Einzige, der die Tage bis zu seiner Abschiedsfeier zählte. Obwohl es noch sechs Monate bis zu seiner Pensionierung waren, hatte er seit einer Weile keinen Fall mehr übertragen bekommen, und so würde es auch bleiben. Er stand auf dem Abstellgleis. Der Sergeant ihres Dezernats wollte keine neuen Fälle in die Hände eines Detectives geben, den er in den nächsten fünf Jahren jedes Mal aus dem Ruhestand holen musste, wenn er als Zeuge vor Gericht auszusagen hatte, denn so lange dauerte es oft, bis die Fälle durch das System krochen. Und falls Mike mitten in einer Ermittlung starb, wäre es verheerend. Und verflixt unpraktisch. Das war die Gefahr, wenn man mit fast siebzig noch an Fällen arbeitete – das Alter wurde zum Risikofaktor, und all die «unschätzbare Erfahrung», die im Lebenslauf so gut aussah, trug dazu bei, dass man das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hatte. Und so schob Mike, bis er offiziell sein Amt niederlegen konnte, «Revierdienst», wovon jeder Beamte träumte. Aber Manny war klar, dass Mike es anders sah. Er hatte fast vierzig Jahre lang seinen Mann gestanden und trug seinen Stolz wie seine Marke – für alle sichtbar. Es war bestimmt schwer, von Bord zu gehen, aber Manny hatte das Gefühl, dass es fast schlimmer war, noch da zu sein und zusehen zu müssen, wie die Welt ohne einen zurechtkam.
    Er fuhr sich über den glatten Schädel. «Du meinst, du kannst mir helfen?», fragte er zögernd. «Weißt du, dieses Video könnte uns das Genick brechen. Und ich habe, auch ohne dass mir das Ding hier im Nacken sitzt, einen Haufen Scheiß im Fall Skole zu erledigen.»
    «Na klar, Bär. Ich kenne ein paar der Visagen beim NYPD. Dann habe ich wenigstens was zu tun.»
    Manny nickte. Beim City of Miami Police Department wurde in der Mordkommission ohne Partner gearbeitet. Es gab weder genug Leute noch Mittel. Manny war das ganz recht – er mochte keine Partner. Und wenn er sich einen hätte aussuchen müssen, wäre er in hundert Jahren nicht auf den reizbaren, sturen, altmodischen, konservativen Mike Dickerson gekommen. Aber er hatte selbst nur noch sieben Jahre bis zur Rente, was ihm früher wie eine Ewigkeit vorgekommen war. Inzwischen war es gar nicht mehr so lange hin. Nur noch sieben wilde Weihnachtspartys beim Miami-Dade PD. Er konnte sich also in den alten Mann hineinversetzen; wahrscheinlich würde er selbst auch nicht gehen wollen, wenn seine Zeit kam. Außerdem fand er es richtig, nett zu einem Mann zu sein, der auf dem Weg in die Rente war oder auch nur auf dem Weg zur Tür. Genau die Art von Mitgefühl hatte ihn allerdings auch dreimal vor den Traualtar gebracht. Manny hatte so eine Ahnung, dass es mit dieser Partnerschaft nicht viel besser laufen würde …
    «Ich schätze, es ist Zeit für diesen jungen, schönen Jedi, von seinem Meister zu lernen», sagte Manny und reichte seinem neuen Partner mit einem Seufzer das Foto und den USB-Stick. «Geh und klopf auf den Busch. Verdammt, du siehst sogar aus wie Yoda. Der gleiche Eierkopf.»
    «Du bist mir ein Witzbold», grummelte Mike, als er an seinen Platz ging. «Wir beide», rief er über die Schulter zurück, «das wird ein schöner Lenz.»
    Manny seufzte noch einmal. Ein weiser Mann, dessen Namen er nicht kannte, hatte einmal gesagt: Keine gute Tat bleibt ungestraft.

12
    Z ur Anklage, Seite zwei: Florida versus Talbot Lunders », verkündete die Gerichtsschreiberin.
    Es war halb zehn am Montagmorgen, und in Richterin Virginia «Ginny» Beckers kleinem Gerichtssaal im fünften Stock gab es nur noch Stehplätze. Dank der Hitzewelle draußen und der launischen Klimaanlage im Gericht,

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