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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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die eindeutig nur mit halber Kraft lief, war die Luft dick und abgestanden und roch und schmeckte nach klebrigen Körpern. Die Angeklagten waren nervös und schwitzten bereits, genau wie ihre Anwälte, die im Dienst zu vieler Mandanten von Gerichtssaal zu Gerichtssaal hetzten. Es herrschte im Saal ein Klima wie in der New Yorker U-Bahn im Hochsommer zur Rushhour.
    «Ms. DeBianchi, sind Sie das?», fragte die Richterin ungeduldig über das laute Brummen eines Standventilators hinweg, der neben der Richterbank stand.
    «Ja, Euer Ehren», antwortete Daria, während sie aufs Podium zuging.
    «Joe Varlack für Talbot Lunders.» Da war er wieder, Justice Joe, und stand frisch und entschlossen am Podium. Etwas zu entschlossen. Als hätte er das Wochenende mit der Prozessordnung von West-Florida verbracht. Seit dem Haftprüfungstermin letzte Woche hatte Daria mit keinem der beiden Anwälte gesprochen, aber dem Blick nach zu urteilen, den Joe Varlack in ihre Richtung warf, während seine Kollegin wie hypnotisiert in die Akte stierte, würde sich zwischen ihnen dreien nicht so bald eine herzliche Freundschaft anbahnen. Manche Verteidiger waren so – sie nahmen die Gegnerschaft zu buchstäblich und zu persönlich. Aber damit hatte Daria kein Problem. Sie brauchte keine neuen Freunde. Sie warf einen Blick auf Anne-Claire Simmons’ Füßchen und biss sich in die Hand. Diesmal keine roten Sohlen, aber die nudefarbenen Peeptoe-Plateaus waren zum Niederknien.
    «Wie ich sehe, hat Richter Steyn letzte Woche die Kaution abgelehnt», bemerkte die Richterin, als sie sich die Anklageschrift durchlas.
    «Darauf kommen wir noch zurück, Euer Ehren», erklärte Varlack großspurig.
    «Nein, tun wir nicht», antwortete die Richterin, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. «Solange in der Zwischenzeit kein neues Beweismaterial aufgetaucht ist, von dem Sie letzten Dienstag noch keine Kenntnis hatten und es daher nicht bei Richter Steyn vorgelegt haben – und damit meine ich wirklich neues Beweismaterial –, sehe ich keinen Grund für einen weiteren Haftprüfungstermin. Wir sind hier nicht bei der Tauschbörse. Ihr Mandant bleibt in Untersuchungshaft.»
    Ginny Becker war relativ neu am Gericht; sie war erst letztes Jahr vom Gouverneur berufen worden, eine freie Stelle am Landgericht zu besetzen. Mit Mitte vierzig war sie ein Küken, vor allem im Vergleich mit manchen Richtern, die die Richterbank heimsuchten, bis sie tot umfielen. Auf dem Papier war sie als Strafrichterin hinreichend qualifiziert – sie hatte in ihrem Heimatstaat New Jersey als Anklägerin gearbeitet und als Strafverteidigerin in Tampa –, aber das Urteil, ob sie auch eine gute Richterin war, war noch nicht gefällt. Was damit zu tun hatte, dass niemand sie mochte. Mit dem Spitznamen «das manikürte Monster» hatte Richterin Becker es nach neun Monaten im Amt geschafft, jeden vor den Kopf zu stoßen, inklusive ihrer eigenen Mitarbeiter, und sie hatte sich auf beiden Seiten des Gerichtssaals den Ruf verdient, mit eiserner Faust und scharfer Zunge zu regieren.
    «Mr. Lunders», begann die Richterin mit leicht nasalem New-Jersey-Tonfall. Durch den roten Rahmen ihrer Brille, die bedenklich weit unten auf ihrer Nasenspitze balancierte, spähte sie zum Tisch der Verteidigung hinunter. «Die Grand Jury hat Anklage wegen Mordes gegen Sie erhoben. Bekennen Sie sich schuldig?»
    «Nicht schuldig», bellte Varlack. «Wir verlangen Offenlegung.»
    «Selbstverständlich», antwortete die Richterin und musterte Lunders’ Verteidiger einen langen Moment. «Staatsanwaltschaft, vierzehn Tage.» Sie sah sich im Gerichtssaal um. «Sie scheinen recht beliebt zu sein, Mr. Lunders. Sind die Kameras Ihres hübschen Gesichts wegen hier?»
    Daria drehte sich so schnell um, dass sie fast ein Schleudertrauma bekam. Tatsächlich, an dem kleinen Tor zum Zuschauerraum standen zwei Kameramänner, jeder mit einer professionellen tragbaren Fernsehkamera. Einer war vom Sender WSVB7, der andere von WTVJ, NBC6. Ein unterdrücktes Murmeln ging durch den Zuschauerraum. Die Kameramänner waren noch nicht da gewesen, als Daria gekommen war.
    «Sieht so aus, Richterin», antwortete Varlack ein wenig zu beiläufig, woraus Daria schloss, dass er die Vampire eingeladen hatte.
    «Wann ungefähr können wir den Gerichtstermin ansetzen, Staatsanwältin?», fragte die Richterin.
    «Ich würde sagen, frühestens in sechs Monaten, Euer Ehren», antwortete Daria.
    «Ich hoffe, das meint die Anklägerin nicht

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