Argus #5
ernst», schnaubte Varlack. Er klang zutiefst entrüstet, als hätte er mit einem Termin nächste Woche gerechnet. «Meinem Mandanten wurde die Kaution verweigert, und Sie sagen mir, er bekommt keinen weiteren Haftprüfungstermin. Und jetzt behauptet die Anklage, sie hätte erst in sechs Monaten Zeit für die Hauptverhandlung?»
«Darauf können Sie Einfluss nehmen, Mr. …» Die Richterin zögerte kurz. «… Varlack», fuhr sie dann fort, nachdem sie seinen Namen in der Akte gefunden hatte. Offensichtlich hatte sie keine Ahnung, wer er war, und selbst wenn, war es ihr egal. Wahrscheinlich hatte sie in Trenton im Berufsverkehr gesteckt, als er noch um 18 Uhr in den Wohnzimmern im gesamten Süden Floridas auftrat. «Wenn Sie möchten, können Sie einen Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren stellen und mit Ms. DeBianchi im Herbst durch den Prozess galoppieren. Es sei denn, Sie haben das Gefühl, dass Sie sich auf eine Mordanklage doch ein bisschen gründlicher vorbereiten müssen, Sir. Staatsanwältin, fordern Sie die Todesstrafe?»
«Das prüfen wir gerade, Euer Ehren», erklärte Daria.
«Na, dann prüfen Sie ein bisschen schneller. Ich kann mir vorstellen, Ihre Entscheidung könnte die Forderung der Gegenseite beeinflussen, den Fall rasch durchzuziehen, bevor ich meine Weihnachtsdeko abstaube. Mr. Lunders …» Sie sah dem Angeklagten in die Augen und sprach mit lauter, langsamer Stimme, als wäre er schwerhörig oder geistig behindert. «Sie haben das Recht auf ein beschleunigtes Verfahren. Das würde bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft Sie innerhalb von 175 Tagen nach Ihrer Verhaftung vor Gericht stellen muss. Sofern Sie selbst keine Verzögerung verschulden. Denn falls Sie eine Vertagung beantragen oder erklären, dass Sie noch nicht bereit für die Verhandlung sind oder die Darlegung des Falls durch die Staatsanwaltschaft in anderer Weise verzögern, verpuffen diese 175 Tage wie Cinderellas Kutsche. Einfach so. Verstehen Sie das, Mr. Lunders?»
«Ja», antwortete der Angeklagte. Selbst seine Stimme war schön. Tief und rau, wie die eines sexy Sportkommentators. Es war das erste Mal, dass Daria ihn etwas sagen hörte. Er trug immer noch den grell orangefarbenen Overall, aber er sah eindeutig besser aus. Sein Haar war gepflegt und zu einem kleinen Pferdeschwanz zurückgebunden, der zu dem seines Anwalts passte, und er war glatt rasiert. Er sah in Darias Richtung und lächelte. Sie spürte, dass sie rot wurde.
«Ich habe ihm seine Rechte bereits erklärt, Richterin», erwiderte Varlack gereizt.
Die Richterin lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. «Schön. Wirklich nett von Ihnen. Aber um eines klarzustellen, Herr Anwalt, hier in meinem Gerichtssaal ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Angeklagte seine Rechte kennt und versteht, was sie bedeuten. Da ich selbst als erfolgreiche Verteidigerin gearbeitet habe, habe ich die Erfahrung gemacht, dass Mandanten einen in wichtigen Dingen entweder nicht hören oder nicht hören wollen. Und nachdem Sie derjenige sind, der es auf einen raschen Ablauf anlegt, ist es gut, wenn wir gleich alles offiziell über die Bühne bringen, damit uns nachher nicht irgendwelche Details in die Quere kommen, beispielsweise in Form einer Wiederaufnahme wegen Verfahrensfehlern. Nicht dass ich hier eine Verurteilung vorwegnehmen will, ich möchte nur, dass Ihr Mandant informiert ist. Mit alldem im Hinterkopf geben Sie mir bitte einen Berichtstermin innerhalb der nächsten zwei Monate, Althea, damit wir sehen können, wie schnell es mit dem Fall vorangeht. Sollte Mr. Lunders dann immer noch Lust auf einen Ferienprozess verspüren und ein beschleunigtes Verfahren beantragen wollen, machen wir ihm ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, und alle sind zufrieden. Bis auf Ms. DeBianchi vielleicht, die zu beschäftigt sein wird, um zufrieden zu sein.»
«Mmh …», murmelte die Gerichtsassistentin und fächelte sich mit einem Aktendeckel Luft zu. «Wir haben hier selten zufriedene Kunden, Hohes Gericht. Der Berichtstermin ist am 17. August.»
«Danke für den ungebetenen Kommentar, Althea. Ich sehe Sie dann also wieder im August, es sei denn, es gibt Dinge, die wir früher erledigen müssen. Ms. DeBianchi, falls Sie sich entscheiden, die Todesstrafe zu fordern, melden Sie dies so schnell wie möglich. Ich fürchte, wir bekommen Probleme mit den Zeitabläufen, und bei einem Mordprozess will ich keinen von Ihnen rumheulen hören, denn ich werde kein Mitleid mit Ihnen haben
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