Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman

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Gabriella Vechios Obduktion öffneten, fügten die Puzzlesteine sich zusammen und ergaben ein grauenerregendes Bild.
    Manny lehnte sich zurück, die Hand vor dem Mund. Er war sich nicht sicher, ob er das fertige Bild sehen wollte …

15
    D ie Leiche einer Frau lag gekrümmt auf der Seite in einer Baugrube. Offensichtlich hatte jemand Schutt über ihr ausgekippt, dabei aber keine gute Arbeit geleistet, falls er sie vergraben wollte: Ihre bleiche, weiße Haut leuchtete unter dem Sand wie ein Nachtlicht unter einer dünnen Decke. Vielleicht hatte Gabriella Vechios Mörder nicht viel Zeit gehabt, als er sie entsorgte, und gehofft, die Bagger und Planierraupen würden den Rest für ihn erledigen. Oder, wie Detective Schrader mutmaßte, er hatte gehofft, dass die Leiche gefunden wurde, wenn am nächsten Morgen die Bauarbeiten begannen.
    Die Tatortfotografen hatten Nahaufnahmen aller sichtbaren Verletzungen gemacht, als die Leiche noch in ihrem flachen Grab lag: Hämatome an den Handgelenken, Würgemale am Hals, Striemen auf Gesäß und Oberschenkeln, die von einer Peitsche stammen konnten. Doch erst, als die Leiche im rechtsmedizinischen Institut von Nassau County lag, waren die anderen Verletzungen entdeckt worden.
    Eine Reihe von Obduktionsfotos zeigte Gabbys nackte Leiche bäuchlings auf dem metallenen Untersuchungstisch, das blonde Haar hochgebunden, sodass ihr Nacken frei lag. Direkt unter dem Haaransatz befand sich eine dunkelrote kreisförmige Verbrennung mit einem Durchmesser von etwa fünf Zentimetern, wie auf dem danebengehaltenen Lineal abzulesen war. Innerhalb des Kreises war eine gezackte Linie zu sehen, die an den Buchstaben Z erinnerte.
    Manny zog Holly Skoles Obduktionsfoto aus der Akte. Die physische Ähnlichkeit der beiden Frauen war wirklich frappierend. Er fragte sich, warum ihm das bisher nicht aufgefallen war.
    Manchmal sieht man nur, was man sehen will.
    Er suchte die Großaufnahme von Hollys Nackenwunde und hielt sie neben den Bildschirm. Seiner Ansicht nach war beiden Frauen die gleiche Verletzung im Nacken zugefügt worden – ein Kreis mit einer verzerrten Zickzacklinie.
    Man hatte die Frauen gebrandmarkt.
    In Gabbys Fall war die Haut rot und verbrannt, die Wunde nicht allzu tief. Als wäre ihr mit einem heißen, metallenen Werkzeug ein paar Sekunden lang ein Brandzeichen in die Haut gedrückt worden. Eine hässliche Verbrennung dritten Grades. Hätte sie überlebt, wäre Narbengewebe entstanden und eine erhabene Narbe zurückgeblieben, wie bei gekennzeichneten Kälbern. Bei Holly dagegen hatte man das Brandeisen so lange in die Haut gedrückt, bis nicht nur die Haut, sondern auch der Muskel bis fast auf den Knochen verbrannt und das gesamte umliegende Gewebe ernsthaft zerstört war. Als ihre Leiche in den Container gelegt wurde, war sie für die Millionen von Insekten, die Nager und Waschbären, die sich gerne in der Nähe von Mülltonnen aufhielten, ein Festmahl gewesen. Bis man sie wieder aus dem Container holte, hatten Schmeißfliegenlarven es sich in der offenen Wunde bequem gemacht, zusammen mit Gott weiß was für Madengesindel. Es war also schwer gewesen, die Wunde als das zu erkennen, was sie war.
    Doch jetzt sah Manny, was er vor sich hatte. Es gab keinen Zweifel mehr daran, dass die beiden Morde zusammenhingen. Der Mörder hatte beiden Opfern seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt.
    Manny lehnte sich zurück und starrte auf die Pinnwand im Mannschaftsraum, an der die Vermissten, die Gesuchten und verschiedene NCIC/FCIC-Meldungen hingen. Jeden Tag kam ein Kollege herein und pinnte neue Informationen und neue Fotos dazu, neben und über die alten. Als Cop in Miami fühlte man sich manchmal wie in einem schlechten Videospiel: Egal, wie viele Zombies man erledigte, es kamen immer neue dazu. Immer schneller. Immer böser und immer hungriger.
    Am 7. November 2006 lag der damals dreiundzwanzigjährige Talbot Lunders in Palm Beach im Krankenhaus und betrauerte den Verlust seines Blinddarms; Manny hatte das bereits überprüft. Falls die beiden Morde von demselben Psychopathen verübt worden waren, wer hatte dann Gabby Vechio umgebracht? Und wer hatte die wackelnde Videokamera gehalten, während sie gefoltert und ermordet wurde? Wenn es einen zweiten Mörder dort draußen gab, der mit einem Partner Gabby umgebracht hatte und später zusammen mit Talbot Lunders Holly Skole, wer zum Teufel war er? Und mit wem hatte er sich zusammengetan, um Gabby zu töten? Wie viele Verrückte waren da