Argus #5

musste ich die Frau aufspüren. Ich musste rausfinden, was dahintersteckt. Diese Morde, diese Frauen, das alles klingt genau wie Cupidos Vorgehen – hübsche Blondinen, die aus Nachtclubs verschwinden, mehrere Tage oder länger gefangen gehalten, gefoltert und am Ende ermordet werden.»
    «Warten Sie», warf Daria ein. «Holly und die anderen Opfer, sie alle hatten doch ihr Herz noch, oder?»
    «Ja.»
    «Was wollen Sie dann sagen, Manny? Dass Bantling gar nicht Cupido war? Dass alles auf das Konto dieses Snuff-Clubs ging und der wahre Cupido noch lebt, in diesem Augenblick putzmunter durch die Straßen von Miami läuft und sich nach frischem Blut umsieht? Dass er einfach so seinen Modus Operandi geändert hat und den hübschen Mädchen ihr Herz lässt, um ihnen stattdessen ein Brandzeichen zu verpassen?»
    «Sie tun es schon wieder, Sie nehmen mich ins Kreuzverhör wie einen gegnerischen Zeugen.» Manny schlug so fest mit den Fäusten auf die Armlehnen seines Stuhls, dass es klang, als müssten entweder das Holz oder seine Hände brechen. Dann lehnte er sich zurück und starrte an die Wand, während er versuchte, sein Temperament zu zügeln.
    «Ich erinnere mich, dass Bantling in der letzten Berufungsrunde behauptet hat, er wäre ein armer Unschuldiger. Ich erinnere mich auch, dass er damit nicht durchkam», erklärte Daria, seine Wut ignorierend. «Er sitzt immer noch im Todestrakt, oder?»
    «Noch. Der Mann ist wie eine Katze – er hat sieben Leben, und ein paar sind noch übrig. Er hätte fast einen neuen Prozess bekommen. War nahe dran. Zu nahe.»
    «Was ist dann passiert?», fragte sie.
    «Ein paar Jahre nach seiner Verurteilung durchlebte Bantlings Verteidigerin, Lourdes Rubio, einen Sinneswandel. Hat eidesstattlich erklärt, sie hätte Bantlings Fall absichtlich in den Sand gesetzt, indem sie Beweise zurückhielt, die ihn vor Gericht entlastet hätten. Sie hätte bei der Anhörung für ein neues Verfahren aussagen sollen, nur wurde sie vorher bei einem Raubüberfall ermordet. Der Richter hielt ihre Aussage zurück, und Bantling landete wieder im Florida State Prison, aber dann protestierte das Berufungsgericht. Der Richter hätte die eidesstattliche Erklärung gelten lassen müssen. Also ging der Staat in Berufung. Der Fall kam bis vors Oberste Landesgericht. Am Ende haben sie den Antrag abgelehnt, indem sie meinten, das Berufungsgericht hätte die Entscheidung der ersten Instanz gar nicht erst anzweifeln dürfen, womit wieder das ursprüngliche Urteil in Kraft trat. Zuletzt habe ich gehört, dass Bantling dagegen in Berufung geht, diesmal vor dem Bundesgericht, was wahrscheinlich noch mal fünf Jahre dauert. Und danach kommt die nächste abwegige Berufung und die nächste.»
    Daria legte den Kopf schief. «Bei Cupido gab es doch noch eine Verwicklung, oder? Irgendwas mit der Anklägerin?»
    «Bill Bantling ist ein Psychopath, Counselor», sagte Manny nachdrücklich. «Er verbreitet Chaos, wo er hinkommt. Daran geilt er sich auf.»
    «Hat er nicht behauptet, er hätte die Staatsanwältin vergewaltigt?»
    «Wie gesagt, er verbreitet gern Chaos. Falls Sie alt genug sind, um sich an die Schlagzeilen zu erinnern: Er hat die Behauptung praktischerweise aufgestellt, nachdem er von den Geschworenen wegen Mordes verurteilt worden war. Es war seine letzte Waffe – die miese Anschuldigung, er wäre von einer traumatisierten Anklägerin aus Rachsucht in den Todestrakt geschickt worden. Sie hieß C. J. Townsend. Eine tolle Staatsanwältin und eine noch tollere Frau. Traurigerweise war Bantling schlau genug, die Tatsache auszugraben, dass C. J. als junge Jurastudentin in New York tatsächlich vergewaltigt worden war und der Täter nie gefasst wurde. Er fand ihren alten Namen raus – sie hatte ihn geändert, weil sie Angst hatte, der echte Vergewaltiger würde sie eines Tages aufspüren – und wo sie gewohnt und welchen Wagen sie gefahren hat. Das hatte er alles aus den alten Polizeiberichten. Es gibt nichts Gefährlicheres auf der Welt als einen intelligenten Psychopathen, das sag ich Ihnen.
    Wie sie es geschafft hat, nach all dem, was er vor Gericht zu ihr gesagt hat, die Fassung zu bewahren, weiß ich nicht. Es muss gewesen sein, als würde sie wieder vergewaltigt. Natürlich hat der Richter Bantlings Theater durchschaut, und die Geschworenen haben ihn zum Tode verurteilt, aber meiner Meinung nach war C. J. danach nicht mehr dieselbe. Weder als Staatsanwältin noch als Mensch. Sie war immer auf der Hut, nie