Argus #5

sich gebracht, und schon begann ihr der Fall zu entgleiten. Sie biss sich auf die Lippe und drehte sich mit dem Stuhl zum Fenster, damit er ihr Gesicht nicht sah, während sie nachdachte.
    Großer Gott … ein Serienmörder? Daria hatte noch nie an einem Serienmord gearbeitet. Und das würde auch so bleiben, wenn Vance Collier und der Oberstaatsanwalt herausfanden, welche neue Wendung der Fall Florida vs. Talbot Lunders nahm. Sie würden einen viel erfahreneren Staatsanwalt einsetzen, vielleicht würde sogar Collier selbst übernehmen. Dann konnte sie die Leitung der Sexualdelikte vergessen. Ihre Chance, aus dem Niemandsland aufzusteigen. Eine Veteranin mit Zukunft zu werden. Verdammt . Doch so leicht würde sie nicht aufgeben. Sie ließ sich den Fall ihres Lebens nicht wegnehmen, nur weil sie noch nicht über genügend Erfahrung verfügte. Falls Manny recht behielt und der Mord an Holly Skole zu einer Serie gehörte, die etwas mit Bill Bantling und einem geheimen Snuff-Club zu tun hatte, dann würde sie den Fall so weit klar machen, dass man sie nicht mehr davon abziehen konnte. Niemand war so gut mit der Materie vertraut, erst recht nicht, wenn es zu einem beschleunigten Verfahren kam.
    Sie drehte sich wieder zu Manny. «Ich würde sagen, wir reden mit Lunders. Fragen ihn, ob er einen Partner hatte oder ob er von einem Partner rekrutiert wurde, vielleicht sogar von einem Serienmörder. Falls sich herausstellt – und ich sage nicht, dass ich irgendwas davon so einfach schlucke –, dass er tatsächlich Mitglied dieses Clubs ist, von dem Sie reden, dann könnten wir ihm einen Deal vorschlagen, um an die anderen Namen zu kommen. Natürlich dürfen wir ihm das mit dem Club der Psychopathen nicht gleich auf die Nase binden, Manny; vielleicht war Hollys Ermordung sein Werk und das eines gestörten Unbekannten. Ich will ihm keine Ideen einpflanzen. Oder seinem Anwalt.»
    Manny rieb sich die Schläfen. «Ich glaube nicht, dass der Kleine den Mund aufmacht, Counselor. Hat er bisher auch nicht getan. Sie haben ihn vor Gericht gesehen – er ist genauso abartig und unvorhersehbar wie Bantling. Ich habe das Gefühl, die Aufmerksamkeit macht ihm auf eine kranke Art sogar Spaß. Das ist sein Moment an der Sonne; diesmal darf er Chaos verbreiten.»
    «Wir versuchen es. Ich lege nichts als Brady-Material vor, bevor ich rausgefunden habe, was zum Teufel hier los ist.»
    «Nach dem, was beim Arthur Hearing zwischen Ihnen und Lunders gelaufen ist, rede lieber ich mit ihm und seinem Anwalt», gab Manny zurück und nahm eine Schachtel Marlboros aus der Tasche. «Vielleicht ist er dann weniger abgelenkt. Und Sie auch.»
    Sie nickte und griff nach ihrem kalten Kaffee, um die Röte zu verstecken, die ihr ins Gesicht schoss. «Sie dürfen hier nicht rauchen.»
    «Das haben Sie mir schon einmal gesagt. Aber ich bereite mich vor für die Sekunde, wenn ich das Gebäude verlasse», gab er zurück und schob sich eine Zigarette hinters Ohr. «Morgen ist Mittwoch, oder? Verdammt, die Zeit verfliegt. Am Nachmittag habe ich einen Haftprüfungstermin, das heißt, ich versuche mir unseren Schönling morgen früh vorzuknöpfen. Aber auf jeden Fall fahre ich nächste Woche nach Bradford ins Florida State Prison, um mit Bantling zu sprechen.» Er nahm seine Akte vom Tisch.
    «Ich komme mit», erklärte sie.
    «Überlassen Sie mir die Ermittlungen, und bleiben Sie bei der Anklage.»
    «Ich komme mit. Ich bin noch nie einem Serienmörder begegnet.»
    Manny machte ein finsteres Gesicht.
    Zugegeben, das hatte sich ziemlich dämlich angehört. «Ich mische mich auch nicht ein», sagte Daria schnell. «Aber ich will dabei sein. Ich will ihn sehen.»
    «Ich mache ein Foto für Sie.»
    «Sehr witzig. Ich will hören, was er zu diesem Snuff-Club sagt. Sie behaupten doch die ganze Zeit, er hinge mit meinem Fall zusammen. Dann habe ich das Recht dazu.»
    Manny seufzte. Trotz der Stimme in der schlauen Hälfte seines Gehirns, die laut «Schlechte Idee!» schrie, erklärte sein Mund eigenständig: «Sie können mich zu allem überreden, wenn Sie nett sind, Counselor. Aber ich sag Ihnen eins, wenn Sie die Krallen ausgefahren haben, will ich keine fünf Stunden mit Ihnen im Auto sitzen.»
    «Ich bin nett. Versprochen. Wissen Sie, ich habe an der University of Florida studiert.»
    Manny warf einen Blick auf das gerahmte Zeugnis, das an der hellgrauen Wand über dem Aktenschrank hing. «Das sehe ich.»
    Sie folgte seinem Blick. «Bei der Einschreibung sagen sie einem