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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Detel
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eigenen frühen essenzialistischen Metaphysik auseinander zu setzen. Zunächst erinnert er an sein altes Usia-Kriterium aus den
Kategorien
: Die primäre Usia muss ein zugrunde liegendes Subjekt sein, in dem Sinne, dass sie über nichts anderes ausgesagt wird, während alles andere über sie ausgesagt wird. Aus diesem Grundsatz schien zu folgen, dass das Einzelne Usia ist. Sokrates kann z. B. über nichts anderes ausgesagt werden, während alles andere über ihn ausgesagt werden kann. Aber in der
Metaphysik
bezeichnet Aristoteles diesen Grundsatz als unzureichend und unklar. Bringt man nämlich die Form-Materie-Analyse ins Spiel, die in der
Metaphysik
in VII 7–8 dann auch explizit eingeführt wird, so läuft das alte Usia-Kriterium auf die These hinaus, dass die Materie eines Dinges seine primäre Usia ist. Die Materie eines Dinges ist allerdings der Form-Materie-Analyse zufolge von sich selbst her, also insofern sie Materie
für
etwas ist, weder essenziell noch akzidentell bestimmt. Die primäre Usia sollte jedoch, wie Aristoteles betont, individuell bestimmt und ontologisch autonom sein. Genau das ist die Materie eines Dinges nicht. Also kann die Materie eines Dinges nicht seine primäre Usia sein. Dieses Argument belegt, dass Aristoteles die Defizite seiner frühen Metaphysik klar vor Augen hat.
    Mit dem nächsten Kapitel (Metaph. VII 4) beginnt eine längere Erörterung des entscheidenden Kandidaten für die primäre Usia eines Dinges: das sog. TEE, das »Was-es-war-zu-sein« – der vielleicht komplizierteste der zahlreichen berüchtigten Kunstausdrücke, die Aristoteles eingeführt hat. Viele dieser Kunstausdrücke sind aufschlussreich, so auch das TEE. Die Frage »Was war es, zu sein?« zielt nämlich offenbar auf eine [72] Erinnerung an die definitorische (und damit essenzielle) Bestimmung von X. Was zu sein war es noch gleich, ein Mensch zu sein? Antwort: vernünftiges Lebewesen. Der Ausdruck »vernünftiges Lebewesen« ist das Definiens (der definierende Ausdruck) von Mensch. Das TEE eines Dinges ist somit das Definiens dieses Dinges. Aristoteles hält zur näheren Erläuterung zunächst fest, dass ein Definiens stets zirkelfrei sein muss und dass der primäre Gegenstand von Definitionen die Spezies (die zweite Usia in der Redeweise der
Kategorien
) ist. Und in VII 6 schiebt er die Identitätsthese von Definiens und Definiendum nach. Wenn also X das angemessene TEE von Y ist, dann ist X zirkelfrei, Y die Spezies eines Dinges, und X und Y sind (ontologisch) identisch. Diese Identität begründet gerade notwendige essenzielle Verhältnisse. Die Identitätsthese ist zentral, denn wenn X die primäre Usia von Y ist, dann sollte in Aristoteles’ Augen X mit Y notwendig zusammenhängen und folglich von Y nicht verschieden sein. Die Gattung eines Dinges (ein weiterer der vier Kandidaten) kommt z. B. diesem Ding zwar auch notwendig zu, ist aber nicht identisch mit ihm (Lebewesen ist z. B. nicht identisch mit Mensch). Daher ist die primäre Usia eines Dinges das TEE eines Dinges.
    Diese grundlegende These ist freilich noch nicht das letzte Wort zur Frage der primären Usia. Denn diese These hat, so scheint es, nichts mehr mit Einzeldingen zu tun. Die grundlegende Frage nach der vertikalen und horizontalen Einheit speziesbestimmter Einzeldinge droht aus dem Blick zu geraten, denn die TEE-These bezieht sich auf Strukturen wie Spezies, Gattungen und Definiens-Formen. Immer wieder betont Aristoteles, dass es für das Einzelne, also das aus Form und Materie zusammengesetzte Einzelding, keine Definition gibt – sondern nur für das Allgemeine (z. B. Metaph. VII 11, 1036a; VII 15, 1039b–1040a). Die primäre Usia scheint mithin eine Art von allgemeiner Form zu sein. Kehrt Aristoteles damit zu Platon zurück? Will er die primäre Usia wieder zum vorzüglichsten Erkenntnisgegenstand machen, indem er sie als allgemeine Form bestimmt?
    [73] So einfach ist es nicht. Das wird vor allem deutlich, wenn wir uns die Erörterung eines weiteren zweistelligen Usia-Kandidaten ansehen: die Diskussion der These, dass allgemeine Bestimmungen eines Dinges dessen primäre Usia sind (Metaph. VII 13). Aristoteles behauptet nämlich unmissverständlich, dass das Allgemeine an einem Ding nicht die primäre Usia des Dinges ist. Denn wenn ein X Allgemeines an einem Ding Y ist, dann gibt es weitere Dinge Y i , derart dass wir sagen können: X ist dem Y und den Y i gemeinsam; X trifft auf Y und die Y i zu; und X wird von Y und den Y i als

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