Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
Schriften an die Spitze seiner Ausgabe gestellt hat, wollte er (und dann auch alle spätantiken und frühneuzeitlichen Kommentatoren) dem Gedanken des Systems Ausdruck verleihen, das dem aristotelischen Werk innewohne.
Nach übereinstimmender Meinung der Forschung ist diese Gruppe von Schriften in ziemlich rascher Folge zwischen den einzelnen Texten in der Zeit entstanden, in der Aristoteles in der platonischen Akademie wirkte, aber nicht in der Reihenfolge, in der die einzelnen Schriften von Andronikos angeordnet waren und dementsprechend auch in den Handschriften stehen. Während die Einwände der älteren Forschung gegen die Echtheit der Kategorien verstummt sind, gibt es hinsichtlich der chronologischen Abfolge der Schriften verschiedene, in den Details umstrittene Theorien. Konsens besteht darüber, dass die Kategorien nicht in einem Zug geschrieben sind und dass die Topik nicht nach, sondern vor den Analytiken verfasst sein muss, wobei die Meinungen darüber auseinander gehen, ob einzelne Bücher der Topik teils noch vor den Kategorien , teils zwischen Teilen der Analytiken anzusetzen seien. Wahrscheinlich ist, dass das erste Buch der Topik vor den Kategorien entstanden ist, weil es die allem Anschein nach früheste Fassung der Kategorienlehre enthält.
Die genuine Reihenfolge der Schriften des «Organon» spiegelt das Fortschreiten vom Einfachen zum Zusammengesetzten wider, derart, dass die Kategorien von den Aussageformen einzelner, noch nicht in Sätzen verbundener Wörter, die Hermeneutik vom Urteil, das im Satz seinen Ausdruck findet, die Topik sodann vom dialektischen Syllogismus, die Sophistischen Widerlegungen von Trugschluss, die Analytica Priora vom Syllogismus in seiner vollkommenen Form und die Analytica Posteriora schließlich vom apodiktischen Syllogismus handeln.
Aber das ist von einem modernen Logik-Verständnis her gedacht. Ob Aristoteles mit der Reihenfolge dieser Schriften an eine organische Entfaltung der logischen Probleme gedacht hat, ist durchaus zweifelhaft. Keine dieser Schriften enthält einen Verweis auf eine andere Schrift der gleichen Gruppe. Die Topik wie die Analytiken repräsentieren einen je eigenen Entwurf einer Logik.
KATEGORIEN
Das Wort «Kategorie» heißt wörtlich: «Rede gegen jemanden», «Vorwurf», «Beschuldigung», als Terminus der Gerichtssprache «Anklage». Es kommt zuerst im Geschichtswerk des Herodot (2. Hälfte des 5. Jh.s v. Chr.) vor (VI 50 und öfter). Es wird bei den Geschichtsschreibern und Rednern des 5. und 4. Jahrhunderts und dann auch bei Platon häufig in diesem Sinne gebraucht. Erst Aristoteles hat es zu einem philosophischen Terminus gemacht.[ 1 ]
Merkwürdigerweise kommt das Wort «Kategorie» zur Bezeichnung der zehn Kategorien in der Schrift mit dem (vermutlich gar nicht von Aristoteles stammenden) Titel Kategorien nur beiläufig vor, vor allem nicht dort, wo die Tafel der zehn Kategorien eingeführt wird.[ 2 ] Es ist offenbar wie selbstverständlich schon vorausgesetzt. So beginnt dann die Schrift mit Erörterungen, die auf den ersten Blick mit der Kategorienlehre nichts zu tun haben, aber doch deren Vorbereitung dienen. Am Anfang steht die Unterscheidung zwischen homonymen, synonymen und paronymen Bezeichnungen von Dingen.
Homonym sind Dinge mit gleichem Namen und verschiedener Bedeutung und demzufolge auch verschiedener Definition. Ein (fingiertes) Beispiel ist «Bank» als Sitzgelegenheit oder als Geldinstitut. (Das von Aristoteles verwendete Beispiel lässt sich in der deutschen Übersetzung nicht adäquat wiedergeben.) Synonym sind im Einzelnen zwar verschiedene Dinge, die aber einen gemeinsamen Namen und eine gemeinsame Definition haben. Aristoteles nennt als Beispiel «Rind» und «Mensch», auf die beide die Bezeichnung «Lebewesen» und damit «die Definition ihres Seins» (Cat. 1, 1 a 10) zutrifft. Unter paronym versteht man Dinge (oder Wesen), die im grammatischen Sinne von einem Begriff abgeleitet sind. So heißt der Tapfere so nach der Tapferkeit, der Gesunde nach der Gesundheit. Durch die bloße Veränderung der Endung kann aus dem abstrakten Substantiv ein konkretes Adjektiv entstehen. Aristoteles will mit diesen Unterscheidungen zeigen, dass es drei verschiedene Relationen (homonym, synonym, paronym) zwischen Dingen und ihren Benennungen und damit Definitionen gibt. Dabei hat er hier zunächst nur das einzelne Wort im Blick.
Im Folgenden (Kap. 2–3) geht es um die Verbindung von Wörtern zu Aussagen. Das Wort für
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