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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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eigenen Periodenbau gegenüber dem reihenden, parataktischen Stil nach der Art des Historikers Herodot (dessen Nennung 1409 a 28 vielleicht eine spätere Einfügung ist) mit dem Argument, der periodische Satzbau sei «eine gut überschaubare Größe mit Anfang und Ende in sich» (III 9, 1409 a 35), die angenehm und fasslich ist, wie ähnlich die Tragödie als eine Größe mit organischem Anfang, Mitte und Ende angesehen wird ( Poetik 7, 1450 b 26) entsprechend dem aristotelischen Grundgedanken des organisch Strukturierten.
    Weit über alles Technisch-Rhetorische hinaus gehen auch die Ausführungen über Witz und geistreiche Formulierungen, die sich teilweise mit dem Begriff der Metapher überschneiden. Das Erkennen einer Pointe, einer Beziehung, mit der man eine Bedeutung assoziiert, wird einer philosophischen Leistung gleichgestellt (III 11, 1412 a 12) und bedeutet einen Erkenntnisgewinn, gewährt Freude und Belehrung (III 10, 1410 b 10–17; III 11, 1412 a 24).
    Dabei ist für die verschiedenen Arten von Reden ein jeweils unterschiedlicher Stil angemessen, wie entsprechend der Exaktheitsgrad zwischen geschriebener und gesprochener Rede nicht der gleiche ist (III 12). Schließlich wendet sich Aristoteles den Teilen der Rede (Einleitung, Darstellung, Beweisführung) zu (III 13–19), vermeidet aber auch dabei jeden starren Schematismus, sondern bettet die Formen und Regeln der Rhetorik in eine anthropologische Fundierung.[ 10 ]
    R ESÜMEE UND A USBLICK
    Man könnte aus der Rhetorik des Aristoteles ein System von Techniken der Rede mit der Gliederung nach Redearten, Redeteilen, Beweisarten, Überredungsstrategien, Stilarten und Stilqualitäten, ebenso aber auch eine auf die Rede bezogene philosophische Ethik besonders der (im 2. Buch analysierten) Affekte herauspräparieren. Beides würde der Rhetorik nicht gerecht. Das Bedeutende und Einmalige der aristotelischen Rhetorik ist die Einbettung des rhetorischen Regelwerkes – sowohl in Ausgestaltung wie auch in Reduzierung – in einen durch die produktive Auseinandersetzung mit Platon gewonnenen neuen Zusammenhang, in dem die Rhetorik zur adäquaten Theorie der öffentlichen Rede des Bürgers nach den Kategorien der in Ethik und Politik entwickelten praktischen Philosophie geworden ist. Insofern hat Aristoteles doch bis zu einem gewissen Grade die Forderung Platons nach einer philosophischen Rhetorik erfüllt, nur ganz anders, als Platon sich das gedacht hatte. Für Aristoteles soll der Redner über ethische Grundgegebenheiten informiert sein, diese in seine Rede einbeziehen und vor allem selber eine bestimmte ethische Haltung verkörpern, ohne die philosophischen Prämissen selber ableiten zu müssen. Damit geht Aristoteles in seinen Forderungen weit über alle rhetorische Praxis und Theorie seiner Zeit hinaus. Diese auf Wissen, Einsicht und Ethos gegründete Rhetorik ist noch ganz hineingesprochen nicht nur in den akademischen Zuhörerkreis, sondern in eine lebendige Szene der politischen Beredsamkeit in Athen.
    Nach Aristoteles ist der Zusammenhang von Rhetorik und praktischer Philosophie nicht mehr als Postulat empfunden oder gar befolgt worden. Denn mit der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.), dem Sieg der Makedonen über die griechischen Städte und dem damit verbundenen Verlust der politischen Autonomie der Polis, war die Möglichkeit stark reduziert, Politik durch Beredsamkeit zu gestalten oder auch nur zu beeinflussen. Natürlich gab es weiterhin Privatprozesse und Gerichtsreden, aber in den hellenistischen, gleichsam ‹entseelten› Traktaten zur Rhetorik dominierte der technisch-formale Aspekt. Mit der Lehre von den Stilqualitäten (bei Theophrast) wird der Stil zur obersten Instanz der Rhetorik.
    Die Entwicklung der Rhetorik in Rom vollzog sich vor allem durch die Umformung der griechischen Terminologie des rhetorischen Lehrgebäudes ins Lateinische, die dem altrömischen Ideal des redekundigen guten Mannes (vir bonus dicendi peritus) einen theoretischen Unterbau gab. Vor allem Cicero war es, der unter gewandelten Bedingungen die einseitige Orientierung an die rhetorische Technologie überwand und wieder philosophische und nun auch literarische Postulate an den Redner stellte, eigentlich ganz im Sinne des Aristoteles, der in dem außerordentlich einflussreichen Werk De oratore auch genannt wird (II 160). Darin fordert Cicero vom perfectus orator eine Sachkenntnis in Dichtung, in den Künsten, in Rechts- und Staatskunde mit dem Ziel einer allgemeinen

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