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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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vollständig zu gewinnenden Prinzipienlehre (gipfelnd in den beiden Prinzipien «Eins» und «Unbestimmte Zwei»), die Platon in der Akademie mündlich vorgetragen und die Aristoteles in der verlorenen Schrift Über das Gute festgehalten hat.[ 6 ]
    Als Resümee der gesamten Musterung der Lehren von den ersten Philosophen an hält Aristoteles fest, dass alle Früheren die vier Ursachen ganz unbestimmt nur eben geahnt, meist nur eine, gelegentlich zwei Ursachen namhaft gemacht und sich dabei in Widersprüche verwickelt hätten. Mit der Beschränkung auf nur eine oder mehrere stoffliche Ursachen könnten sie jedenfalls andere Ursachen wie den Ursprung der Bewegung nicht erklären.
    Die Kritik der Lehre Platons weist einige Besonderheiten auf. Während Referat und Kritik der frühen Philosophen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, ist die Kritik der platonischen Lehre etwa dreimal so umfangreich wie das vorangegangene Referat. Aristoteles führt 23 Argumente gegen die Ideen- und Zahlenlehre ins Feld, die auch nicht alle aus dem Referat der Lehre erwachsen, sondern weit darüber hinausgehen.
    Zur näheren Erklärung ist ein kleiner, aber folgenreicher Exkurs nötig, der unvermeidlich in philologische Details führt. Die Handschriften, auf die unser Text zurückgeht, lassen sich aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten und Abhängigkeiten in zwei ‹Familien› (a und b) einteilen, wobei a in der Regel die ältere und bessere Überlieferung zu bieten scheint.[ 7 ] Im 9. Kapitel des ersten Buches der Metaphysik (A 9) weisen die beiden Handschriftengruppen an sechs Stellen immer die gleiche Differenz auf, die in der Verwendung der ersten (so Gruppe a) oder der dritten (so Gruppe b) Person für die Bezeichnung der kritisierten Lehre Platons besteht. Um es an zwei Beispielen zu verdeutlichen (in Klammern die b-Überlieferung): «Von den Beweisen, die wir (die sie) für die Existenz der Ideen führen, gibt es keine Evidenz» (990 b 8–11); oder: «Nach der Auffassung, wonach wir sagen (sie sagen), dass es Ideen gibt, müsste es Ideen nicht nur von Substanzen, sondern auch von vielem Anderen geben» (990 b 23f.). Ähnlich bei einer Reihe weiterer Stellen. Mit der Verwendung der ersten Person bekennt sich Aristoteles, so scheint es, mit verschiedenen Verben («wir zeigen», «wir glauben», «wir sagen», «wir wollen», «wir beweisen») als Anhänger der platonischen Ideenlehre, die er doch gerade zu bekämpfen sich anschickt, und zwar grundsätzlich und ziemlich scharf. Er sagt nicht «wir haben geglaubt», nicht «wir haben gesagt», sondern «wir glauben», «wir sagen». Er verwendet durchweg Formen im Präsens. Die damit verbundenen Schwierigkeiten des Verständnisses verschärfen sich an einer Stelle, an der Aristoteles sich auf den platonischen Dialog Phaidon bezieht: «Im Phaidon sagen wir, dass die Ideen Ursache sowohl für das Sein wie für das Werden sind» (991 b 3f.). Es heißt nicht etwa «lesen wir», sondern «sagen wir» (so in der Handschriftengruppe a). Kann man so über das Werk eines Anderen sprechen? Aristoteles hat doch nicht den Phaidon geschrieben! Gemeint wäre dann wohl: «Wir sagen, die Ideen sind Ursache von allem, wie es auch im Phaidon steht.» So hat Alexander von Aphrodisias den Satz aufgefasst. In der Handschriftengruppe b heißt es entsprechend: «Im Phaidon wird gesagt.» Im Übrigen steht bei den nahezu wörtlichen Wiederholungen der Ideenkritik im 13. Buch der Metaphysik (M 4–5) in einheitlicher Überlieferung aller Handschriften, bei denen im ersten Buch (A 9) die Handschriftengruppen zwischen der ersten und dritten Person schwanken, der Text in der dritten Person, also durchgängig: «sie sagen», «sie glauben» usw.
    Alle neueren Ausgaben und Übersetzungen folgen dem Überlieferungsstrang, der in A 9 die erste Person (also: «wir sagen») bietet, mit Ausnahme der Bemerkung über den Phaidon, wo «wir sagen im Phaidon» als sprachlich nicht möglich zu sein scheint und daher in die Ausgaben auch nicht aufgenommen ist. Diese Inkonsequenz har Werner Jaeger in seinem letzten, unvollendet gebliebenen Aufsatz beseitigt, indem er auch dort die erste Person eingesetzt hat.[ 8 ]
    Was hat Aristoteles an diesen Stellen geschrieben? «Wir» oder «Sie»? Dabei ist zu bedenken, dass Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr.) bereits die «Wir-Version» kennt und zitiert, ohne sich näher mit dem Problem auseinanderzusetzen.[ 9 ] Sollte Aristoteles durchweg (also auch in A 9) die dritte

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