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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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stärksten Entfernung vom Himmel jegliche Bewegung überhaupt abgesprochen wird ( De caelo II 13–14). Ihre Kugelgestalt wird damit begründet, dass sie kein Organ zur Bewegung hat. Sie ruht also im Mittelpunkt. Damit sind wir im Zentrum des geozentrischen Weltbildes.
Es trifft sich aber, dass die Mitte der Erde mit der Mitte des Alls identisch ist … So ist also offensichtlich, dass die Erde sich notwendig im Mittelpunkt befinden und unbewegt sein muss … Auch dass sie eine kugelförmige Gestalt besitzt, ist notwendig der Fall ( De caelo II 14, 296 b 15–297 a 8).
    Aristoteles hat sich die Sache nicht leicht gemacht. Gewiss, er konnte an die lange Tradition von den frühesten Denkern an mit der grundsätzlichen Bestimmung der Erde als unbewegt und im Mittelpunkt befindlich anknüpfen. Aber im Einzelnen setzt er sich ausführlich mit den Theorien der sogenannten Vorsokratiker, der Pythagoreer und Platons mit einer Intensität auseinander, die der Lesbarkeit des Textes nicht immer zuträglich ist. Vor allem lehnt er jede mathematische Begründung der kosmologischen Sachverhalte ab und versteht sein System als ein rein physikalisches. Über die Schwierigkeiten der Materie ist er sich im Klaren.

Wir glauben nämlich, dass der Eifer eher als Zeichen von Bescheidenheit denn von Verwegenheit einzuschätzen sei, wenn jemand aus Wissensdurst in den Angelegenheiten, die uns die größten Schwierigkeiten bereiten, auch kleine Einsichten schätzt ( De caelo II 12, 29 b 25–28).

Es ist ehrenvoll, in diesen Fragen nach einem immer tieferen Verständnis zu streben, obgleich unsere Mittel bescheiden sind und wir so weit von den dortigen Verhältnissen entfernt sind ( De caelo II 12, 292 a 14–17).
    Die aristotelische Konzeption ist keine Spekulation von der Art, wie die frühen Kosmologen vorgegangen sind. Sie ist auch keine mathematische Konstruktion, wie sie die Pythagoreer und Platon vorgelegt haben. Sie gründet vielmehr auf Empirie. Aristoteles geht von den beobachtbaren Phänomenen aus, die er in wenige Grundkategorien einordnet, insbesondere in den zentralen Begriff der Bewegung in Verbindung mit dem teleologischen Gedanken. Es sind teils einfache Beobachtungen wie die der Fallrichtung und -geschwindigkeit von Gegenständen oder die unmittelbare, (scheinbar) evidente Anschauung bis hin zur Observation komplizierter astronomischer Sachverhalte.

Wir sehen, dass der Himmel einen Kreislauf beschreibt und wir haben durch vernunftgemäße Überlegung festgesetzt, dass die kreisförmige Bewegung einem Körper eigen ist ( De caelo I 5, 272 a 5–7).

Die Beobachtung zeigt, dass der Mond kugelförmig ist, sonst würde er nicht, wenn er zu- oder abnimmt, die meiste Zeit eine sichelförmige oder gekrümmte Gestalt annehmen und einmal (im Monat) eine halbkreisförmige ( De caelo II 11, 291 b 18–21).

Wir haben beobachtet, wie der Mond, als er halbkreisförmig war, unter dem Planeten Mars vorüberzog und wie dieser von der dunklen Seite des Mars verhüllt wurde und auf der strahlenden und hellen Seite wieder auftauchte ( De caelo II 12, 292 a 3–7).
    Johannes Kepler hat als Datum dieses Ereignisses den 4. April 357 ermittelt,[ 4 ] als Aristoteles 27 Jahre alt war, schon zehn Jahre in der Akademie lebte und durch eigenständiges Philosophieren hervorgetreten war. Das Bestreben, die Beobachtungen in kosmologische Kategorien und diese wieder in ein Gesamtsystem einzuordnen, geht so weit, dass Aristoteles einen Parallelismus zwischen den Aktivitäten der Gestirne und den Handlungen von Lebewesen, ja sogar Pflanzen einführt. Denn da Aristoteles die Gestirne als Lebewesen begreift, haben deren Bewegungen den Charakter von Handlungen «von solcher Art wie das Handeln von Lebewesen und Pflanzen» ( De caelo II 12, 292 b 2). Der Mensch führt die meisten Handlungen aus, um an ein Ziel zu gelangen, die Tiere weniger, die Pflanzen kennen nur eine «Handlung», das Wachsen. Die Analogie zum kosmischen Bereich ist nicht ganz schlüssig. Die Erde ‹handelt› überhaupt nicht, weil sie kein eigenes Ziel hat, der erste Himmel erreicht sein Ziel durch eine einzige ‹Handlung›, die Planeten in offensichtlicher Analogie zum Menschen durch eine größere Zahl von Handlungen. Aristoteles ist dabei bestrebt, die Einheit der Natur durch auf- und absteigende Graduierungen, die man «scala naturae» nennt, systematisch zu begründen.
    Schließlich war Aristoteles bestrebt, seine kosmologischen Grundsätze mit uralten Weisheiten der Ägypter

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