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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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Körper ist im Unterschied zur bloßen Linie oder Fläche durch die Dreidimensionalität gekennzeichnet. Darüber hinaus gibt es keine weitere Größe und keine weitere Dimension. Für die Dreizahl beruft sich Aristoteles ausdrücklich auf die Tradition. Die Dreizahl repräsentiert in der Tat eine erste Pluralität – für die Zweizahl verfügt die griechische Sprache über die grammatische Form des Dual – und ein Ganzes mit Anfang, Mitte und Ende.
Deshalb haben wir diese Zahl der Natur entnommen, als ob sie eines von deren Gesetzen wäre und wir bedienen uns ihrer bei der kultischen Verehrung der Götter ( De caelo I 1, 268 a 1315).
    Da sich Aristoteles außerdem auf die Bedeutung der Dreizahl bei den Pythagoreern (zur Bezeichnung des Alls) beruft, führt er drei Traditionsströme zugleich an: die Philosophie (Pythagoreer), die Naturgesetzlichkeit und die Religion, in der die Dreizahl bei Götteranrufungen, Libationen usw. eine Rolle spielt – ein Zeugnis für die Traditionsverbundenheit des Aristoteles. Sie kommt auch zum Ausdruck bei der Betrachtung der Himmelskörper und ihrer die Vollkommenheit des Universums ausdrückenden ewigen Kreisbewegung.
Alle Menschen haben eine Vorstellung von Göttern, und alle, sowohl Barbaren als auch Hellenen, soweit sie überhaupt an Götter glauben, weisen dem Göttlichen den höchsten Ort zu. Offensichtlich denken sie sich das Unsterbliche (die Götter) mit dem Unsterblichen (dem Himmel) verbunden, und es könnte auch gar nicht anders sein. … In all der vergangenen Zeit hat sich in der Überlieferung, die von Generation zu Generation weitergereicht worden ist, offenbar weder hinsichtlich der Gesamtheit des äußersten Himmels noch hinsichtlich irgendeines der ihm eigenen Teile etwas verändert. Man muss es sich so denken, dass dieselben Ansichten nicht ein- oder zweimal, sondern unzählige Male auf uns kommen ( De caelo I 3 270 b 5–21).
    Diese Zwischenbemerkungen sind höchst aufschlussreich für das persönliche Wissenschaftsethos des Aristoteles. Aus nur wenigen Grundannahmen und in ständiger Auseinandersetzung mit seinen Vorgängern entwickelt Aristoteles im ersten Buch der Schrift Über den Himmel als Ergebnis die Ewigkeit, Vollkommenheit, Begrenztheit und Singularität des Universums.
    Die Erörterung über natürliche Vorgänge basiert auch hier auf der Lehre von der Bewegung. Zugrunde liegen die beiden Formen der natürlichen Bewegung, die geradlinige und die kreisförmige Bewegung ( De caelo I 2, 268 b 18). Zu diesen Formen der Bewegung werden Körper und Elemente in Beziehung gesetzt. Den einfachen Körpern kommt als natürliche, nicht gewaltsam gelenkte Bewegung entweder die geradlinige oder die kreisförmige Bewegung zu, während den zusammengesetzten Körpern eine gemischte Bewegung eigen ist. Unter den einfachen Körpern versteht Aristoteles vor allem die traditionellen Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft. Sie streben in natürlicher Bewegung zu ihrem «natürlichen Ort», teils nach oben, teils nach unten. Keines der vier Elemente aber vollzieht eine natürliche Kreisbewegung. Das tun jedoch die Himmelskörper. Die Kreisbewegung wird als die vollkommenere Bewegung angesehen: Sie allein ist ohne Anfang und Ende. Der Anfangs- und Endlosigkeit der Kreisbewegung korrespondiert die Anfangs- und Endlosigkeit der Gestirne und damit der Welt überhaupt.
    Diese einfach nachzuvollziehende Konzeption führt zu zwei gewichtigen, von allen Theorien früherer Denker abweichenden Konsequenzen, die nur der aristotelischen Lehre eigen sind.
    Erstens: Nahezu alle Kosmologen von den frühesten Zeiten an bis zu Platon und Speusipp sahen die Welt aus irgendwelchen Urbestandteilen oder aus dem Nichts als entstanden und zumeist auch wieder als vergänglich an. Das Wort(Arché) in seiner Doppelbedeutung von «Anfang» und «Prinzip» steht dafür. Als ganz inkonsequent empfand Aristoteles die Weltschöpfungstheorie im platonischen Timaios, wonach die Welt zwar ewig, aber doch einmal durch einen Weltschöpfer entstanden ist. Was ewig ist, kann nicht entstanden sein. Die aristotelische Konzeption von der Ewigkeit der Welt bedeutet einen Bruch mit einer über Jahrhunderte währenden Tradition.
    Zweitens: Die meisten frühgriechischen Denker haben als letztes (dem ontologischen Rang nach: erstes) Prinzip eines, einige oder alle der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft angesehen. Aus der aristotelischen Lehre von der Bewegung resultiert nun zwingend die Annahme eines fünften

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