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Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)

Titel: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmut Flashar
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Elementes. Denn wenn die geradlinigen natürlichen Bewegungen in ihrer verschiedenen Richtungstendenz jeweils den vier Elementen zugeordnet sind und es eine höherrangige Kreisbewegung gibt, so muss diese einem Körper und damit einem Element zugeordnet werden, das jenseits der vier Elemente und deren Einflusssphäre liegt. Aristoteles nennt dieses fünfte Element «Aether» De caelo I 3, 270 b 22). Hier konnte er an eine zu seiner Zeit im Gange befindliche Diskussion anknüpfen. Anaxagoras und die Atomisten hatten bereits hinter den stofflichen Elementen liegende Urbestandteile angenommen; Platon ging einen Schritt weiter, indem er diese Elemente auf mathematische Strukturen zurückführte (vgl. S. 263). Platon nahm fünf geometrische Körper an, von denen er vier zu den vier Elementen in Beziehung setzte, während das Dodekaeder zwar irgendwie dem Himmelsgewölbe zugeordnet wird, aber merkwürdig unbestimmt bleibt. Diese Lücke wird von den Schülern Platons (Speusipp, Xenokrates, Philippos von Opus) in ganz verschiedener Weise ausgefüllt. So ist in der pseudoplatonischen Epinomis, dem Anhang zu den platonischen Gesetzen, als deren Verfasser Philippos von Opus gilt, der Äther zwischen Feuer und Luft gestellt, während bei Xenokrates die Himmelskörper aus mehreren Stoffen zusammengesetzt sind, um nur diese Beispiele zu nennen. Bei Philippos erscheint zum ersten Mal der Ausdruck «fünftes Element» zur Bezeichnung des Äthers (981 C:aus dessen lateinsicher Übersetzung quinta essentia der umgangssprachlich geläufige Ausdruck «Quintessenz» abgeleitet ist.
    Aristoteles vermeidet den Ausdruck «fünftes Element», wohl weil er den Eindruck nicht aufkommen lassen wollte, es stünde mit den anderen Elementen auf einer Stufe. Er verwendet Ausdrücke wie «erster Körper», «erstes Element», «der göttliche Körper». Denn er möchte den «Aether» gegen die anderen Elemente abgrenzen und ihm den Bereich der Gestirne zuweisen. Auf diese Weise gelingt ihm eine Scheidung zwischen einem sublunaren und einem translunaren Bereich. Die vier traditionellen Elemente haben ihren Platz in der Sphäre zwischen Erde und Mond. Hier vollziehen sich alle Auswirkungen der Elemente in der Natur, aller Wechsel von Warm, Kalt, Trocken, Feucht in der rhythmischen Ordnung allen Werdens und Vergehens und im biologischen Kreislauf der Natur. Durch diese Scheidung ist dann auch die Möglichkeit der Etablierung einer wissenschaftlichen Meteorologie gegeben, deren Gegenstand die Vorgänge der Natur im sublunaren Bereich sind.
    D IE T RANSLUNARE Ä THERSCHICHT
    Vor allem aber kann auf diese Weise der Gestirnbereich der Ätherschicht von allen Vorgängen im sublunaren Bereich abgehoben werden. So werden die Gestirne und damit die ganze Ätherschicht in deutlichem Kontrast zum sublunaren Bereich als ungeworden, unvergänglich, weder quantitativer noch qualitativer Veränderung unterworfen, ewig, göttlich, gänzlich unaffizierbar genannt und in ihrem Seinsmodus über alles Irdische erhoben. Die Erhabenheit der Sterne wird so stark hervorgehoben, dass der Eindruck entsteht, sie würden in der Beschreibung des Aristoteles an Rang dem «Unbewegten Beweger» kaum nachstehen.
Den Himmel und den oberen Ort haben die Alten den Göttern zugewiesen und zwar in der Meinung, dass nur er unsterblich sei. Die vorliegende Abhandlung zeigt nun, dass er unvergänglich und unentstanden und zudem keiner sterblichen Widrigkeit ausgesetzt ist, und dass er außerdem keine Mühsal erleidet, weil er keiner gewaltsamen Notwendigkeit bedarf, die ihn zurückhielte und an einer anderen Bewegung hinderte als der, die seiner natürlichen Anlage entspräche ( De caelo II 1, 284 a 12–16).
    Vom «Unbewegten Beweger» ist kaum die Rede, weil Aristoteles hier nicht metaphysisch, sondern physikalisch argumentiert. Es geht ihm um die Erklärung der translunaren Gestirnsphäre in Abgrenzung gegen die sublunare Welt des Werdens und Vergehens. Dass Aristoteles zur Zeit der Abfassung der Physik gleichwohl über die Konzeption eines ersten, unbewegten Bewegers verfügt, wird dadurch deutlich, dass dieser immerhin einmal erwähnt wird ( De caelo II 6, 288 a 27–33). Auch hatte Aristoteles bei der näheren Bestimmung der Äthersphäre keine Veranlassung, sein Interpretationsmodell: «Möglichkeit – Wirklichkeit» anzuwenden, dessen Fehlen nicht so zu verstehen ist, als hätte er über dieses Argumentationsmittel noch gar nicht verfügt, wie man gemeint hat. Aristoteles arbeitet

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