Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Kreisverkehr, den sie fast übersehen hätte. Insekten zerplatzten auf der Windschutzscheibe, einer der Flecken war so groß wie ihre Faust. Sie betätigte den Scheibenwischer, aber das machte es nur noch schlimmer: Der gelbe Schleim wurde in einem weiten Bogen auf der Scheibe verschmiert, genau auf Rosas Augenhöhe.
Hundertsechzig.
Viel zu schnell.
Schweiß lief ihr in die Augen. Verbissen klammerte sie sich ans Steuer und musste sich ein wenig ducken, um unter der Schmutzspur auf dem Glas hindurchzusehen. Das hier konnte nicht ewig gut gehen. Aber immerhin – ihr Verfolger war jetzt immer seltener zu sehen.
Vor sich entdeckte sie Rücklichter. Rasch schloss sie auf. Ein Porsche, an dem sie, ohne groß zu überlegen, vorbeizog. Zwei junge Männer glotzten ungläubig zu ihr herüber, und als sie wieder rechts einscherte, erkannte sie, dass sie sich gerade einen zweiten Verfolger eingehandelt hatte. Offenbar wollten sich die beiden ein nächtliches Rennen mit ihr liefern.
Sie wurde unmerklich langsamer. Der Porsche kam heran, setzte sich neben sie und blieb für einige Hundert Meter auf ihrer Höhe. Sie rang sich ein Lächeln ab, dann beschleunigte sie erneut. Auch der Motor des Porsche jaulte auf. Der Fahrer blieb auf der linken Spur, während er versuchte sie einzuholen.
Abermals nahm Rosa den Fuß vom Gas. Der Porsche setzte sich neben sie. Die jungen Männer johlten, einer machte eine obszöne Geste. Dann wurde der Wagen schneller und raste voraus in die Nacht.
Rosa sah in den Rückspiegel. Quattrinis Leute waren hinter einer Kurve verschwunden. Jetzt oder nie. An der nächsten Einmündung bremste sie abrupt und bog ab, löschte die Scheinwerfer und blieb stehen. Eine Staubwolke wirbelte um die Scheiben. Rosa starrte angestrengt über die Schulter durchs Heckfenster. Sie befand sich auf einem schmalen Waldweg. Als sich der Staub legte, konnte sie zwischen den Bäumen einen Abschnitt der Landstraße erkennen.
Mit ein wenig Glück hatten die Polizisten nichts bemerkt. Bis ihnen klar würde, dass die Rücklichter des schnellen Wagens weiter vorn auf der Straße nicht zu Rosas Maserati gehörten, war sie hoffentlich auf und davon.
Sie ließ die Seitenscheibe ein Stück herunter und horchte in die Nacht hinaus. Da kamen sie.
Die Bäume am Straßenrand wurden in weißes Licht getaucht. Rosa duckte sich instinktiv. Der Verfolgerwagen jagte an der Mündung vorüber nach Norden, seine Rücklichter flackerten einige Male hinter den Baumstämmen auf.
Sie atmete erst wieder, als der Motorenlärm endgültig verklungen war. Aber sie wagte noch nicht, die Scheinwerfer einzuschalten, wendete stattdessen vorsichtig auf dem stockdunklen Waldweg und fuhr im Schritttempo zurück Richtung Straße.
Abermals flammte Licht auf.
Ein zweiter Wagen kam auf der Straße heran. Er wurde langsamer, rollte gemächlich an der Einmündung vorüber, bremste und setzte zurück. Dann bog er rückwärts auf den Waldweg und versperrte die Ausfahrt.
Rosa blickte sich hastig um. Zwanzig Meter hinter ihr befand sich eine Metallschranke. Der Weg tiefer in den Wald hinein war versperrt. Sie saß in der Falle.
Die Scheinwerfer des anderen Wagens erloschen, aber der Motor lief weiter. Eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Jemand näherte sich.
Der Umriss eines Gesichts erschien im Dunkeln vor ihrem Seitenfenster.
Rosa stieß mit aller Kraft die Tür auf. Der andere schrie, als er getroffen wurde, und stürzte rückwärts in hüfthohes Buschwerk. Sie zog den Schlüssel ab, huschte ins Freie, schaute nicht nach rechts oder links, rannte nur, so schnell sie konnte, auf den fremden Wagen zu und riss die Fahrertür auf. Es war ein schwarzer Mercedes. Blitzschnell glitt sie hinter das Steuer.
Heißer, animalischer Atem schlug von der Rückbank in ihren Nacken.
Sie schloss die Augen. Erwartete, dass sich Raubtierfänge in ihren Hals gruben.
Ein aufgeregtes Winseln ertönte. Dann schleckte eine raue Hundezunge über ihre Wange.
Rosa riss den Kopf herum. »Sarcasmo!«
Der Schwanz des Hundes peitschte freudig die Rückbank.
Draußen rappelte sich die Gestalt im Unterholz auf und kam auf den Mercedes zu. Rosa blieben nur zwei, drei Sekunden für ihre Entscheidung. Mit einem Knopfdruck verriegelte sie die Tür und stellte sicher, dass auch die Beifahrertür abgeschlossen war.
Fundling stützte sich gegen das Fenster. Sein wirres schwarzes Haar war noch zerzauster als sonst. Er blutete aus der Nase.
»Lass mich rein!«, rief er durch
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