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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ohren. »Du bist also Sarcasmo. Du scheinst dich sehr viel mehr über mich zu freuen als dein Herrchen.«
    Fundling ließ den Motor an und fuhr los. »Schnallst du dich an?«
    Sie strich Sarcasmo ein letztes Mal über den Kopf, dann wandte sie sich nach vorn und ließ den Gurt einrasten. Fundling schaltete den CD-Player ein. Etwas, das sie für Jazz hielt, quäkte leise aus den Lautsprechern. Der Hund stieß ein ergebenes Schnaufen aus, blieb in der Mitte der Rückbank stehen und legte sich geübt in die Kurven. Fundling fuhr gelassen und nach Vorschrift und sie fragte sich, ob er das wegen ihr, wegen des Hundes oder einfach nur aus Pflichtbewusstsein tat.
    »Was für eine Rasse ist das?« Small-Talk, ausgerechnet sie. Aber Fundlings stille Art weckte ihren Ehrgeiz.
    »Mischling«, erwiderte er. »Keiner weiß genau, was da alles drinsteckt.«
    Die Straße schlängelte sich durch bewaldete Berge. Nach einer Viertelstunde passierten sie die Abzweigung nach Piazza Armerina, einer pittoresken Kleinstadt auf einer Anhöhe. Die Kuppel eines Doms wölbte sich ockerfarben über den verschachtelten Dächern.
    »Hast du gefrühstückt?«, fragte er.
    »Muss nicht sein.« Ihre Essgewohnheiten waren eine Katastrophe, auch das hatte sie sich mehr als einmal von den Ärzten anhören müssen. Sie hatte einfach keinen Spaß am Essen, das war schon immer so gewesen. Ihre Mutter hatte selten gekocht, die Mahlzeiten in der Schule erfüllten den Tatbestand der Körperverletzung, und Fast Food fand sie abscheulich.
    »Ich hab was dabei«, sagte Fundling. »Greif mal hinter meinen Sitz.«
    Sie tastete nach hinten, während Sarcasmo die Gelegenheit nutzte, ihr mit seiner rauen Zunge über die Wange zu lecken. Sie bekam den Griff eines Korbes zu fassen, zog ihn nach vorn und blickte hinein. Tramezzini , dreieckige Weißbrotsandwiches ohne Rinde, mit dunklem Schinken, Mozzarellakäse und Mortadella, dazu zwei winzige Kaffeebecher.
    »Kommt alles frisch aus der Bar in eurem Dorf«, sagte er. »Keine Sorge.«
    Sie musterte ihn. »Ich mach mir keine Sorgen. Warum sollte ich?«
    »Kann manchmal nicht schaden, sich Sorgen zu machen.«
    Nun bekam sie tatsächlich Appetit, biss in eines der tramezzini und fand es köstlich. Es war so frisch, wie er behauptet hatte, und nachdem sie das erste verputzt hatte, aß sie gleich ein zweites. Auch der Kaffee war noch heiß.
    »Entschuldige«, sagte sie kauend, »du auch?«
    »Hab schon, danke.«
    »Wann bist du losgefahren?«
    »Aufgestanden bin ich um vier. Wie jeden Morgen.«
    »Ziemlich früh.«
    »Findet Sarcasmo nicht.«
    »Ach, hey, Sarcasmo …« Sie zog ein Stück Schinken von einem der Brote und reichte es dem Hund nach hinten. Sarcasmo verschlang es, ohne zu kauen, und bettelte um Nachschlag.
    Sie stellte den Korb vor sich in den Fußraum und lehnte sich satt und zufrieden zurück. Sie hatte Zoe einen Zettel hinterlassen: Mach Dir keine Sorgen, bin morgen Abend wieder zu Hause. Sich auszumalen, wie Florinda auf die Nachricht reagieren würde, fand sie müßig. Sie war nicht hergekommen, um sich bevormunden zu lassen, und ein schlechtes Gewissen würde sie sich gar nicht erst angewöhnen, nur weil sie tat, wozu sie Lust hatte.
    Nach einer halben Stunde zerfaserte das Grün der fruchtbaren Hügel um Piazza Armerina zu Inseln aus Buschwerk, Kakteen und kleinen Plantagen. Auf Höhe von Valguarnera wurde es zum versteppten Ockergelb jener Endzeitlandschaft, die das Innere Siziliens beherrschte. Bei Enna bogen sie auf die Autobahn und fuhren nach Nordwesten Richtung Küste.
    »Du hast keine Angst«, stellte Fundling fest, nachdem beide lange Zeit kein Wort gesprochen hatten.
    »Müsste ich?«
    »Hier haben alle vor irgendwas Angst. Die meisten zeigen es nicht, aber man kann es spüren. Auf der Beerdigung des Barons konnte man es in ihren Augen sehen.«
    »Du warst auch dort?«
    Er nickte.
    »Ich hab dich gar nicht gesehen.«
    »Ich war nicht am Grab. Ich bin nur der Fahrer.«
    »Wovor haben sie Angst?«
    »Vor dem Hungrigen Mann.«
    »Wer ist das?«
    »Das erfährst du schon noch.«
    Sie zuckte die Achseln und schwieg.
    Er wartete einen Moment, dann warf er ihr einen Seitenblick zu. »Du bist nicht neugierig.«
    »Nein.«
    Wortlos fuhren sie weiter. Erst nach einer Weile fragte Rosa: »Machst du das immer so? Dass du so tust, als ob dich andere nicht interessieren, aber dann versuchst du trotzdem sie auszuhorchen, indem du einfach irgendwas behauptest? Du hast keine Angst. Du bist nicht neugierig.

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