Arkadien 01 - Arkadien erwacht
sie widersprechen, doch etwas hielt sie davon ab. Sein forschender Blick, sein bestimmender Tonfall. Er schien sich seiner Sache vollkommen sicher zu sein.
»Denk immer daran, was du bist«, sagte er. »Ihr Alcantaras seid meine Stimme und manchmal mein Auge. Meine Hand liegt schützend über euch. Niemand wagt, euch ein Haar zu krümmen, solange ich über euch wache.«
»Tano Carnevare hat das offenbar anders gesehen.«
Seine Faust krachte auf den Tisch. »Dieser Junge hat keine Ahnung, was er getan hat! Der ganze Clan der Carnevares ist eine Plage. Sieh zu, dass du ihnen nicht zu nahe kommst.« Immerhin davon also hatte Zoe ihm nichts erzählt. »Der Baron war ein Schwächling, der allein den Einflüsterungen seines Beraters gehorcht hat. Gott weiß, welche Pläne Cesare nun ausheckt. Ich hätte längst Befehl gegeben, die ganze Brut auszurotten, wäre ihr Einfluss auf dem Festland nicht so ungeheuer nützlich für uns alle.«
Das war der Zeitpunkt, um jene Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Zunge brannte. »Wer wacht über das Konkordat? Sie?«
Er schnaubte leise. »Das Konkordat, das die Lamien schützt, ist zu alt, als dass irgendwer es brechen könnte.«
»Aber wer kontrolliert, dass der Friede eingehalten wird? Und wer bestraft Tano Carnevare, falls er das Abkommen erneut missachtet?«
»Du weißt mehr über die Arkadischen Dynastien, als Zoe und Florinda glauben. Wer hat dir davon erzählt?«
»Ich … ich hab sie belauscht. Sie dachten, dass ich schlafe, aber ich hab ein paar Dinge mit angehört.«
Sein Blick wurde noch bohrender.
Er glaubt mir nicht, dachte sie. Er spürt, dass ich lüge.
Mit einem Ruck schob er seinen Stuhl zurück. »Vielleicht solltest du jetzt tatsächlich gehen.«
Sie legte das restliche Brot auf den Tisch und stand auf. Betont ruhig ging sie zur Tür.
»Da vorn, die Briefe.« Er deutete auf ein Bündel, das neben der Tür auf dem Boden lag. »Nimm sie mit. Richte Zoe aus, sie braucht nicht mehr zu kommen. Ich möchte, dass du das in Zukunft übernimmst.«
Alles in ihr schrie danach, ihm deutlich zu sagen, wohin er sich seine Briefe und Befehle stecken konnte. Aber dann bücktesie sich nur schweigend, hob das Bündel auf und öffnete die Tür.
»Warum vertrauen Sie mir?«, fragte sie.
»Du bist eine von uns.«
»Das sind die anderen auch. Sogar Tano.«
Er lächelte. »Aber ich kenne dein Schicksal. Und es wartet nicht in Amerika auf dich, sondern hier.«
Sie starrte ihn einen Augenblick länger an, dann zog sie wortlos die Tür hinter sich zu und machte sich auf den Heimweg.
Rom
S ie wusste nicht, was sie mehr überraschte: dass ihre Schwester eine beste Freundin hatte oder die Tatsache, dass Zoe sie bislang mit keinem Wort erwähnt hatte.
Lilia war hübsch, rothaarig – und vollkommen high. Auch Zoe war ungewohnt euphorisch und tat so, als wäre in der vergangenen Nacht nichts vorgefallen. Nicht mit einem Wort sprach sie Rosa auf das Theater vor ihrer Zimmertür an. Sie wollte nicht einmal wissen, wo sie mit ihrem Wagen gewesen war, immerhin einen Tag und fast die gesamte Nacht lang.
»Du kommst doch mit, oder?« Das immerhin fragte sie schon zum dritten Mal, obwohl Rosa bereits zugesagt hatte.
Die beiden wollten für zwei Tage nach Rom fliegen, zum Shoppen und Feiern, sagten sie, und sie würden nicht eher Ruhe geben, bis Rosa einwilligte, sie zu begleiten.
Tatsächlich hatte sie gar nichts dagegen, Sizilien für eine Weile den Rücken zu kehren. Sie brauchte einen Moment zum Durchatmen. Zeit zum Nachdenken. Und neue Klamotten. Es gab hundert Dinge, über die sie mit Zoe sprechen musste. Allerdings nicht, solange ihre Schwester hektisch durchs Zimmer fegte wie ein Kreisel. Und erst recht nicht, während diese Lilia dabei war. Vielleicht würde sich unterwegs eine Gelegenheit ergeben, Zoe unter vier Augen zu erwischen.
Lilia, die feuerrote, schöne, zugekiffte Lilia, klatschte in die Hände, als Rosa sagte: »Wann wollen wir los?«
»Jetzt gleich!«, rief Zoe entzückt und lachte mit Lilia um die Wette, als hätte jemand einen unglaublichen Scherz gemacht.
»In dem Zustand wollt ihr zum Flughafen fahren?«
Zoe zog umständlich drei Tickets aus ihrer Handtasche. »Ta-taa! Alles schon gebucht. Der Helikopter bringt uns nachCatania, und Catania bringt uns –« Sie brach ab, wechselte einen verblüfften, rundäugigen Blick mit Lilia und schrie dann erneut vor Gelächter. »Also, nicht Catania, sondern das Flugzeug … also, von Catania, das
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