Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Flugzeug bringt uns von Catania nach Rom. Nachdem uns der Helikopter –«
»Ja«, unterbrach Rosa sie, »das hast du schon gesagt.«
»Hab ich?« Ehrliche Überraschung, dann Gekicher. »Pack deine Sachen und los geht’s.«
»Weiß Florinda Bescheid?«
»Vor heute Nacht kommt sie nicht von Lampedusa zurück. Hab ihr einen Zettel geschrieben.« Sie überlegte. »Oder nicht?«
Lilia nickte. »Doch, hast du.«
Zoe zog Rosa an sich und umarmte sie. »Ich freu mich so, dass du mitkommst!«
»Ist ja gut.«
»Wirklich!«
»Okay. Ich hol meinen Kram.«
Zoe packte Lilias Hand und riss sie jubelnd nach oben.
Cheerleader in Ekstase, dachte Rosa.
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Sie landeten am späten Abend in Rom, fuhren mit dem Taxi in die Stadt und bezogen eine Suite in einem Grandhotel unweit des Pantheon. Es war eines dieser alten, plüschigen Hotels, die Rosa nur von Bildern kannte, mit hohen Sälen, viel Stuck, goldenen Verzierungen und schweren weinroten Samtvorhängen.
Zoe war schon mehrfach hier gewesen. Die Rezeptionisten begrüßten sie mit Namen und Handschlag, und Rosa nahm mürrisch hin, dass Zoe sie wildfremden Menschen als meine kleine Schwester vorstellte. Zum Ausgleich klaute sie dem Concierge einen goldenen Füllfederhalter, wusste nicht, wohin damit, und legte ihn vor den Aufzügen in einen Blumenkübel.
Während die beiden anderen sich im Badezimmer fertigmachten, lag sie ungeschminkt auf ihrem Bett und ließ sich mit My Death berieseln. Nach einer Weile versuchte sie Alessandro anzurufen. Nur die Mailbox. Sie zögerte kurz und horchte in der Stille nach dem Pfeifton, dann legte sie auf.
Zoe und Lilia kamen auf einer Woge guter Laune aus dem Bad, gehüllt in süßliche Schwaden. Das hier war eine Nichtrauchersuite; sie hatten Glück gehabt, dass der Rauchmelder nicht angeschlagen hatte. Das fehlte noch: eine Evakuierung des ganzen Hotels, weil die beiden keine zehn Minuten ohne den nächsten Joint auskommen konnten.
»Fertig?«, fragte Zoe.
Rosa blieb liegen. Ioles Gesicht tanzte vor ihren Augen und einen Moment lang quälte sie ihr schlechtes Gewissen. Dolce vita für sie in Rom, während Iole – ja was eigentlich? Tot war? Von Raubtieren zerfetzt?
Widerwillig stemmte sie sich hoch. »Fertig. Sieht man das nicht?«
»Du hast dir nicht mal die Haare gebürstet.«
»Gehen wir essen oder zum Schaulaufen?«
»Beides«, sagte Lilia. »Gucken sollen sie, nur nicht anfassen.«
Sie aßen in einer kleinen, bürgerlichen Trattoria in der Nähe. Rosa redete nicht viel, konnte aber nicht anders, als Zoe die ganze Zeit über zu beobachten. Ihre Schrammen und blauen Flecken waren erstaunlich schnell verschwunden; sie fragte sich, wie sie wohl Lilia die Blessuren erklärt hatte.
Überhaupt, Lilia.
Nach einer Weile konzentrierte Rosa sich ganz auf sie, suchte nach Hinweisen, ob auch sie zu den Arkadischen Dynastien gehörte. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das erkennen sollte.
Lilias rotes Haar fiel in kräftigen Locken auf ihre Schultern. Sie trug eine schwarze Lederjacke, ein enges Top und einen kurzen Rock, dazu flache Schuhe. Sie war nicht so stark geschminkt, wie Rosa erwartet hatte in Anbetracht der Stunde, die sie und Zoe vor dem Spiegel verbracht hatten.
Nach dem Essen schleppten die beiden sie in einen teuren Club nahe der Spanischen Treppe. Sie wurden an der Schlange vorbeigeschleust und Rosa fühlte sich unwohl unter den Blicken der Wartenden. Zoe stolzierte vorneweg, gab dem Türsteher einen Kuss auf die Wange und tauchte als Erste in das dröhnende Dunkel jenseits der schweren Eisentür. Rosa folgte den beiden eine Treppe hinab ins Untergeschoss, wo es noch düsterer, voller und lauter war als am Eingang. Sie wollte nichts trinken, aber Zoe brachte ihr trotzdem etwas von der Bar mit, mehr Eis als Getränk und derart bunt, dass Rosa annahm, ihre Schwester habe es nur wegen der hübschen Dekoration bestellt.
Sie ergatterte einen Sitzplatz mit dem Rücken zur Wand, behielt sorgsam ihr Glas im Auge, wagte aber trotzdem schon nach kurzer Zeit nicht mehr, daraus zu trinken. Kein Mensch war nahe genug herangekommen, um etwas hineinzumischen, aber sie konnte nicht anders. Ihr Misstrauen würde sie nie wieder loswerden.
Nach einer Weile benebelten sie die wummernden Bässe und das schummerige Licht weit mehr, als der Cocktail es vermocht hätte. Sie stand auf und ging langsam in Richtung Tanzfläche. Seit der Party vor einem Jahr hatte sie Menschenmassen gemieden. Noch beim Hinflug war ihr das Gedränge auf
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