Arkadien 01 - Arkadien erwacht
nicht gegenüber einer Alcantara. Und zuletzt: Sich für etwas zu entschuldigen ist kein Zeichen von Schwäche. Genauso wenig, wie eine Entschuldigung anzunehmen.«
»Ich suche nicht nach einem Freund«, zitierte sie, während sie sein faltiges Gesicht betrachtete, »ich suche einen Jedi-Meister.«
Er sah sie verwundert an. »Wie bitte?«
»Hamlet.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin diedumme Amerikanerin aus dem Haus hinterm Berg. Alcantara steht sicher nur durch Zufall in meinem Pass. Schätze, ich wurde nach meiner Geburt vertauscht. Meine echten Eltern waren wahrscheinlich Touristen auf der Durchreise. Das erste Mal in Europa. Kein Plan, zerfledderter Reiseführer, alles sehr aufregend. In Wahrheit bin ich die Erbin einer Donut-Bude in Taylor, Arizona.«
Der alte Mann starrte sie verwundert an. Dann aber zerfloss seine harte Miene und er brach in Gelächter aus. Er machte einen Schritt auf sie zu, hob erneut die Hand, aber diesmal tätschelte er ihr nur die andere Wange und strich ihr übers Haar. »Deine Schwester hat mich noch nie zum Lachen gebracht.«
Sie senkte verschwörerisch die Stimme. »Sie ist eine Verbrecherin. Bei der Cosa Nostra wird nicht gelacht.«
»Mehr, als du denkst, meine Liebe. Mehr, als du denkst.« Er zog einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür. »Komm rein«, bat er und ging voraus. »Du siehst halb verhungert aus. Ich habe Brot und Wurst und Käse. Deine Tante und deine Schwester sorgen gut für mich.«
Es war ein Haus im Haus. Unter dem eingefallenen Dach der Ruine war eine neue Balkendecke eingezogen worden, etwa zwei Meter hoch. Hinter den brüchigen Außenmauern hatte man Wände errichtet, die den einzigen Raum zwar enger machten, dafür aber isolierten. Es gab einen groben Holztisch, zwei Stühle, ein ungemachtes Bett und eine alte Kommode mit angelaufenen Messingknäufen. Einen Spiegel, durch den ein Riss verlief. Ein winziges Waschbecken mit altmodischem Wasserhahn. An den Wänden hingen ein paar gerahmte Familienfotos, die meisten vergilbt. Die Männer und Frauen darauf sahen aus, als hätten sie zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gelebt, vielleicht früher; bäuerliche Szenen auf Äckern und in engen Dorfgassen, ein paar gestellte Gruppenbilder vor gemalten Landschaftstapeten.
Ein ranziger Geruch hing in der Luft und sie hoffte, dass ernur von den getrockneten Würsten und einem Schinken herrührte, die an Schnüren von den Balken baumelten.
Keine Bücher. Dafür ein winziger Fernseher, dessen Satellitenschüssel in den Trümmern des Dachs verborgen sein musste. Daneben ein Kühlschrank, obendrauf ein Radiowecker. Kein Telefon oder gar ein Computer.
Nicht gerade die Schaltzentrale eines Superschurken. Und doch hätte der alte Mann das Wort capo nicht in den Mund nehmen müssen, um Rosa auf den richtigen Gedanken zu bringen.
»Sie sind der capo dei capi «, sagte sie, während sie sich umsah. Der Boss der Bosse. Das Oberhaupt der sizilianischen Mafia. »Hassen die anderen Familien die Alcantaras deshalb so sehr? Weil Florinda und Zoe die Botengänge für Sie erledigen?«
Das Gewehr landete mit einem Scheppern auf dem Tisch. Er öffnete den Kühlschrank, zog ein Holzbrett mit Käse hervor und legte es neben die Flinte. Dazu kamen eine Wurst und ein Laib Weißbrot. »Setz dich«, sagte er und deutete auf einen der beiden Stühle.
Sie nahm auf dem zweiten Platz, der näher an der Tür stand. Er registrierte es mit einem Lächeln, setzte sich auf den anderen und brachte ein Klappmesser zum Vorschein. Seelenruhig schnitt er die Wurst in fingerdicke Scheiben. Rosa beobachtete ihn dabei. Er zog die scharfe Klinge mit gelassener Sorgfalt durch das feste Fleisch, ein ums andere Mal.
»Ich bin Salvatore Pantaleone«, sagte er, ohne aufzublicken. »Würdest du zur Polizei gehen und ihnen diesen Namen nennen, gäbe es in diesem Wald in Windeseile mehr Carabinieri als Bäume. Sie suchen mich seit fast dreißig Jahren und ich habe in dieser Zeit in zu vielen von diesen verfallenen Ruinen gehaust. Diese hier wird hoffentlich die letzte sein.«
Falls Melancholie in diesen Worten lag, so verbarg er sie gut. Vielmehr klang sein Tonfall wie der eines Mannes, der kurz vor einem großen Triumph stand.
»Ich habe deine Schwester gebeten, dich zu mir zu führen«, sagte er.
»Das hat sie nicht.«
»O doch, natürlich. Glaubst du, es war Zufall, dass sie auf dem Weg hierher jedes Mal unter deinem Fenster vorbeigelaufen ist?«
»Warum hat sie mich nicht einfach
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