Arkadien 01 - Arkadien erwacht
schon die ganze Zeit über. »Wenn es das ist, was ich befürchte, dann bist du drauf und dran eine Riesendummheit zu begehen.«
»Besser dumm als tot.« Sie öffnete die Tür und schwang ein Bein ins Freie. Ihr Schuh mit der Metallkappe zertrat eine Glasscherbe.
»Ich komme mit«, sagte er.
»Nein. Wenn du das tust, verlierst du auch den Rest deiner Anhänger.«
»Und du glaubst, das würde irgendwas ändern? Vielleicht ist es besser, wenn ich auf dich aufpasse.«
»Es ist wichtig , dass ich allein gehe. Vertrau mir einfach.«
Er schwieg und erwiderte ihren Blick voller Sorge.
»Dieses Foto«, sagte sie, »du willst doch auch wissen, was es damit auf sich hat. Wo es aufgenommen worden ist.«
»Du glaubst wirklich, dass das der Schlüssel ist.«
Rosa zog das Bild aus der Tasche und betrachtete es. »Vielleicht ist das hier der Beweis, dass unsere Familien einander nicht immer gehasst haben.«
»Es ist nur eine Statue, Rosa. Irgendein antikes Artefakt im Meer.« Doch sein Blick sagte etwas anderes. Er wirkte unruhigund zugleich hoffnungsvoll, so als hätte das Bild von Panther und Schlange auch ihn sehr viel stärker berührt, als er zugeben wollte. »Wir wissen ja nicht mal, wie alt es ist. Oder wo die Dallamanos das Foto gemacht haben.«
»Genau das will ich rausfinden.« Sie steckte es wieder ein, bemühte sich um ein Lächeln, bekam aber keines zu Stande. »Ich ruf dich an, wenn ich hier fertig bin.«
Sein Blick ließ sie nicht los. »Versprochen?«
Sie nickte, wollte aussteigen, überlegte es sich dann aber anders. Ihre Augen brannten. Ihr Herz schlug viel zu schnell. Sie zog das Bein zurück, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn heftig. Sein Arm legte sich um ihre Taille.
Als sie ihre Lippen zurückzog, lächelte er mit einer bittersüßen Entschlossenheit, die ihre Entscheidung fast ins Wanken brachte.
»Okay«, sagte sie und erwiderte das Lächeln flüchtig. »Ich muss jetzt schleunigst hier raus.«
»Musst du nicht.«
»O doch.« Mit einem Kloß im Hals entwand sie sich seiner Umarmung und glitt ins Freie. Vom Bürgersteig aus beugte sie sich noch einmal herein. »Bis nachher«, sagte sie.
»Pass auf dich auf.«
»Du auch.«
Er legte den Gang ein und ließ sie dabei nicht aus den Augen. Rosa warf die Tür zu, trat einen Schritt zurück und stieß gegen eine überfüllte Mülltonne. Als sie sich wieder zur Straße umdrehte, hatte sich der Mercedes bereits in den Verkehr eingefädelt.
Sie atmete tief durch, orientierte sich an der nächsten Hausnummer und machte sich auf den Weg.
Der Mann, nach dem sie Ausschau hielt, lehnte mit verschränkten Armen in einem besprayten Treppenaufgang, gleich neben einer heruntergekommenen Zoohandlung. Ihr war unwohl beim Anblick der Tierkäfige hinter dem schmutzigen Fenster.
»Signorina Alcantara«, begrüßte er sie.
Sie nickte ihm zu.
»Kommen Sie rein«, sagte eine zweite Gestalt im Schatten hinter Antonio Festa.
Rosas Augen verengten sich. Stefania Moranelli lächelte ihr entgegen. »Die Richterin erwartet Sie.«
Der Pakt
D u brauchst Hilfe«, stellte die Richterin Quattrini fest. »Sonst wärst du nicht zu uns gekommen. Bei unserer letzten Begegnung warst du nicht allzu kooperativ.«
Rosa schlug die Beine übereinander. Sie saß auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch der Richterin und spürte die Blicke der beiden Leibwächter in ihrem Rücken. Festa und Moranelli lehnten hinter ihr an der Wand; sie war sicher, dass sie diese Position gewählt hatten, um sie nervös zu machen. Das Ganze ähnelte den Verhörsituationen, die sie seit Jahren kannte. Sie hatte gehofft, heute besser damit zurechtzukommen.
»Um das gleich klarzustellen«, sagte sie, »ich werde Ihnen nichts über Alessandro Carnevare erzählen.«
Die Richterin strich sich durch das kurze Haar. Die Färbung ließ nach; am Ansatz war es grau. Sie trug dieselben Sachen wie im Hotel in Rom: eine beigefarbene Stoffhose und einen braunen Pullover. Rosa stellte sich vor, dass Quattrini einen Schrank – oder eher einen Koffer – voll davon besaß, ein Dutzend Mal das gleiche Outfit.
»Was willst du?«, fragte die Richterin, während sie sich vor Rosa auf die Schreibtischkante setzte. Sie war klein und berührte mit den Zehenspitzen kaum den Boden. »Warum hast du mich angerufen?«
Rosa hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, was sie auf diese Frage antworten würde. Was sollte sie über Cesare oder Iole berichten? Was über ihre eigene Familie? Es irritierte sie, dass
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