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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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tust das für den Jungen? Er hat dich doch nicht hergeschickt, oder?«
    Rosa verzog keine Miene. »In Wahrheit wissen Sie nichts über mich.«
    Die Richterin löste sich von der Schreibtischkante, trat an eines der zugezogenen Fenster und schob mit einem Finger den Vorhang eine Handbreit beiseite. Sofort eilte ihre Leibwächterin zu ihr, eine Hand an der Waffe in ihrem Schulterhalfter. Quattrini schickte sie mit einem mürrischen Wink zurück auf ihren Platz.
    »Magst du Katzen?«, fragte sie in Rosas Richtung.
    »Geht so.«
    »Ich mag Katzen. Ich mag sie wirklich. Wenn ich noch ein Haus mit einer Familie hätte, dann wäre es voller Katzen. Während all der Einsätze, die ich in den vergangenen Jahren gefahren bin – Verfolgungsjagden, auch ein paar Fluchten –, habe ich siebzehn überfahren. Siebzehn Katzen, Rosa. Das sind nur die, die ich gezählt habe. Die kurze Erschütterung, wenn die Reifen sie erfassen, oder das Geräusch, wenn sie vor den Kühler knallen. Und weißt du was? Es hat mir um keine von ihnen leidgetan. Weil sie für etwas gestorben sind, an das ich glaube. Für den Kampf gegen die Mafia. Für den Sieg über deine Familie und all die anderen. Für ein Italien, in dem die Menschen nicht mehr in Angst leben müssen.«
    »Italien interessiert mich einen Scheiß«, sagte Rosa.
    »Warum bist du dann noch hier?« Die Richterin klang weder beleidigt noch beeindruckt. »Du spürst es auch, Rosa. Sag mir nicht, dass es nur die Trauer um dein Kind ist. Oder Alessandro Carnevare. Da ist noch mehr, das dich auf Sizilien hält. Es gibt keinen anderen Ort wie diesen hier.«
    Sie ließ den Vorhang wieder zufallen und setzte sich auf den Stuhl hinter ihrem Schreibtisch, beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf und fixierte Rosa über ihre verschränkten Finger hinweg. »Die anderen Länder lachen über uns. Sie interessiert nur, wo es bei uns die saubersten Strände gibt, die besten Restaurants und die schicksten Boutiquen. Sie lachen über uns, weil unser Land von Zynikern regiert wird, die meisten davon angeklagt wegen Betrugs oder Steuerhinterziehung oder Zusammenarbeit mit der Mafia. Weil sich unsere Richter bestechen lassen und weil alle paar Jahre eine große Amnestie ausgesprochen wird, bei der die schlimmsten Verbrecher freigelassen und entschädigt werden. Männer, die ich gejagt und überführt habe. Die anderen lachen über uns, weil unsere Politiker über uns lachen. Weil sie Gesetze verabschieden, die es mir verbieten, Familien wie deine abzuhören und einen Großteil der Beweise, die ich gegen euch habe, vor Gericht einzusetzen. Die es mir untersagen, eure Häuser und Grundstücke zu durchsuchen, solange nicht einer von euch mindestens den Ministerpräsidenten erschossen hat. Und das ist noch nicht alles. Die anderen lachen uns aus, weil bei uns ein Nacktmodel zur Ministerin für Gleichstellung ernannt wird, aber harmlose Sexshops von der Polizei geschlossen werden. Weil unsere Politiker zwar Schlange stehen, um dem Heiligen Vater im Vatikan die Hand zu küssen, aber zugleich siebzig vorbestrafte Verbrecher in unserem Regierungsparlament sitzen.« Die Richterin holte tief Luft, ihre Stirn glänzte. »Das alles ist Italien. Und sollen die anderen sich doch darüber lustig machen – ich glaube trotzdem daran, dass dieses Land den Kampf wert ist. Dass es all die Toten wert ist und die verdammten Katzen vor meinem Kühlergrill. Und wenn du, Rosa, anderer Meinung bist, dann steh auf und verschwinde und ruf mich nie wieder an.« Sie beugte sich noch weiter über den Schreibtisch. »Aber wenn du mir auch nur ein klein wenig Recht gibst, wenn du dir eingestehst, dass du diesem Land, dieser Insel schon nach wenigen Tagen mit Haut und Haaren verfallen bist, dann bleib sitzen und rede mit mir.«
    Rosa atmete tief durch. »Augusto Dallamano«, flüsterte sie. »Ich will nur mit ihm sprechen. Ein einziges Mal. Mehr nicht.«
    »Und was habe ich davon? Und komm mir nicht wieder mit ein paar Akten und Fotokopien aus dem Giftschrank deiner Tante. Das war von Anfang an nicht dein wahres Angebot!«
    Rosa blinzelte. Sonnenlicht fiel durch einen Spalt zwischen den Vorhängen. Sie legte so viel Entschlossenheit in ihre Stimme, wie sie nur aufbringen konnte.
    »Salvatore Pantaleone«, sagte sie.
    Stefania Moranelli gab einen erstaunten Laut von sich. Antonio Festa pfiff durch die Zähne.
    Die Richterin aber zuckte nicht einmal. Ihre Miene blieb unverändert, ihr Blick in Rosas Augen versenkt. »Der Boss der

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