Arkadien 03 - Arkadien fällt
sich auf den Weg zu den Alcantaras gemacht, stimmt’s?« Sie hätte wohl das Gleiche getan.
»Wir waren siebzehn damals. Apollonio schlich sich auf das Gelände des Palazzo Alcantara und fing mich ab, draußen auf dem Weg zu den Garagen.«
»Und auch du hattest vorher keine Ahnung von seiner Existenz?«
Er schüttelte den Kopf. »Plötzlich standen wir uns gegenüber, fast Ebenbilder, der eine in teurer Kleidung, geschniegelt und gestriegelt, der andere verwahrlost nach der Flucht aus dem Institut und einigen Tagen im Freien. Und trotzdem konnte es gar keinen Zweifel geben. Es war, als würden wir uns selbst im Spiegel sehen, weit mehr als bloße Ähnlichkeit. Das Problem war nur, dass er dieses Aufeinandertreffen viel besser verkraftet hat als ich. Er war vorbereitet, hatte wochenlang darauf hingearbeitet. Ich hingegen war völlig überrumpelt – und dann ist etwas geschehen, das eigentlich unmöglich war: Inmitten all der Aufregung habe ich begonnen mich zu verwandeln.«
»Aber männliche Alcantaras –«
»Können sich eigentlich nicht verwandeln. Oder wurden nie alt genug, um es zu versuchen. In mir und Apollonio steckte aber auch eine Hälfte Panthera, und das hat die Sache kompliziert gemacht. Zum einen waren wir eben nicht – wie die anderen männlichen Alcantaras – kurz nach der Geburt gestorben, zum anderen steckte in uns sehr wohl die Fähigkeit zur Gestaltwandlung. Bei mir kam sie damals zum ersten Mal zum Ausbruch, vielleicht auf Grund der Aufregung, der Überraschung, was weiß ich. Mein Körper veränderte sich – und darüber blieb mein Herz stehen.«
»Der Defekt«, flüsterte sie in abfälligem Tonfall, der nur von ihrer eigenen Beunruhigung ablenken sollte.
»Ich hab’s überlebt. Costanza und ein paar andere tauchten auf und sie schafften es irgendwie, mich wiederzubeleben. Es hätte nicht viel gefehlt und die Begegnung mit meinem Zwillingsbruder hätte mich umgebracht. Costanza geriet außer sich und war drauf und dran Apollonio zu töten. Der aber konnte erneut entwischen und floh zurück hierher. Dies war der einzige sichere Ort, den er kannte, und in seiner Verwirrung und Wut und, ja, seinem Hass auf die Alcantaras hat er sich entschieden, hierzubleiben, die Rolle als Sigismondis’ Stiefsohn zu akzeptieren und so etwas wie sein Schüler zu werden. Vom Versuchsobjekt wurde er innerhalb weniger Jahre zu Sigismondis’ rechter Hand, nicht nur bei der Arbeit im Institut, sondern schließlich auch, wenn es um den Verkauf des Serums ging. Während sich der Professor in den Labors einigelte und ganz seinen Forschungen widmete, übernahm Apollonio mehr und mehr die geschäftliche Seite. Er reiste im Auftrag der Organisation um die Welt, stellte Kontakte zu Arkadischen Dynastien in Europa, Amerika und Asien her, belieferte sie mit dem Hybridenserum – und ein paar ausgewählte Sammler mit den Pelzen der Arkadier, die bei den Experimenten in den Laboratorien getötet wurden. Dadurch hatte er auch wieder mit Costanza zu tun, ob ihr das nun gefiel oder nicht. Sie musste sich damit abfinden, dass er es war, mit dem sie ihre Geschäfte machte, auch lange nachdem sie ihre Spitzeltätigkeiten für Sigismondis eingestellt hatte. Apollonio hat von ihr exorbitante Preise für die Pelze und das Serum verlangt, aber das scheint sie akzeptiert zu haben – vielleicht hat sich da doch noch ein Rest Gewissen geregt.«
Rosa kam die Galle hoch. »TABULA hat Tausende Arkadier entführt und ermordet oder zu Hybriden gemacht, aber das hat Costanza und die anderen nicht davon abgehalten, mit Apollonio und Sigismondis Geschäfte zu machen?«
Er zuckte die Achseln. »Das Wort Moral ist in unserer Familie nie besonders großgeschrieben worden.«
Sie hatte das Gefühl, eine lange, heiße Dusche nehmen zu müssen, um all den Schmutz abzuwaschen.
»Schließlich wurde Sigismondis von den anderen Drahtziehern entmachtet«, sagte er. »Auch mit Apollonio, der als sein Sohn galt, wollte niemand mehr etwas zu schaffen haben. Er hatte die Wahl, entweder fortzugehen und alle Brücken abzubrechen oder aber hier unten bei seinem Ziehvater zu bleiben und ihm weiterhin zu assistieren. Er hat sich für Letzteres entschieden. Und was hätte er auch tun sollen? Das meiste Geld war an TABULA weitergegeben worden und er hatte weder Freunde noch sonst jemanden, an den er sich hätte wenden können. Und seine Familie hat er von ganzem Herzen gehasst, mich – seinen Bruder – ebenso wie Costanza.«
Sie blieben vor
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