Arkadien 03 - Arkadien fällt
»Der schwache Zustand nach der Geburt war, wie gesagt, nur der eine Defekt. Der zweite zeigte sich erst viel später.« Er sah sie nun fast ein wenig mitleidig an. »Du fragst dich, was das für dich und diesen Carnevare-Jungen zu bedeuten hat, richtig?«
Daran hatte sie in der Tat gedacht, aber vor allem wollte sie wissen, was es für sie selbst bedeutete. Ihr unbekannter Großvater, der Vater von Costanzas Kindern, war also ein Panthera gewesen. Demnach floss in ihren eigenen Adern ein Anteil Pantherablut. Der Defekt , von dem er gesprochen hatte, betraf somit auch sie.
»Keine Sorge«, sagte er. Offenbar gehörte nicht viel dazu, ihr anzusehen, was sie beschäftigte. »Es hat mit den Verwandlungen zu tun. Und mit denen scheinst du ja keine Probleme zu haben, nach allem, was man hört.«
Brachten sie es schon in den Acht-Uhr-Nachrichten? Wie, zum Teufel, erfuhr er in diesem Erdloch von ihren Verwandlungen?
»Es ist unser Herz«, sagte er, »sowohl bei meinem Bruder als auch bei mir. Wenn wir uns verwandeln, bleibt es stehen. Einfach so. Es ist nicht stark genug für die Metamorphose. Stillstand. Exitus.« Er schlug sich mit der Faust in die Hand. »Das war’s.«
Ihr eigenes Herz hatte bislang immer mitgespielt. Aber wer garantierte ihr, dass das so blieb?
»Wie ging es weiter mit Costanza?« Sie hatte ihre Großmutter gehasst, ohne sie wirklich gekannt zu haben – und nun empfand sie beinahe Mitgefühl, weil Costanza von TABULA ebenso übel mitgespielt worden war wie ihr selbst.
Sie fliehen vor Costanzas Schatten , hatte Trevini einmal zu ihr gesagt. Das war vorbei. Sie würde sich ihrem Erbe stellen. Und sie wollte alles erfahren, die ganze Geschichte.
»Sie hat uns zur Welt gebracht«, sagte er, »und dann ist sie nach Hause gegangen, um sich ein für alle Mal an die Spitze des Clans zu setzen, ohne Rücksicht auf irgendwen oder irgendwas. Darum hat sie als Erstes ihre Mutter erschossen.«
Auch Rosas Tante Florinda war durch eine Kugel gestorben.
»Anschließend hat sie ihre Schwester ermordet.«
Zoe war ebenfalls getötet worden. Zoe, die eigentlich Florindas Nachfolgerin hatte werden sollen.
»Damit wurde Costanza selbst zum Oberhaupt des Clans.« Er lächelte. »Und an wen erinnert dich das?«
Vater und Tochter
W ie viel von alldem hat Evangelos Thanassis gewusst?«, fragte Rosa. »Immerhin war er doch Sigismondis’ Geldgeber.«
Der Mann, der vielleicht ihr Vater war, stand noch immer vor der Stahltür, so als zögere er plötzlich, die letzten Rätsel der Forschungsstation zu enthüllen. Bis zum Treppenhaus und zum Weg an die Oberfläche waren es nur wenige Schritte. Rosa hätte vor der Wahrheit davonlaufen können. Aber das zog sie nicht mal mehr in Erwägung.
»Thanassis hat keine Ahnung davon gehabt«, sagte er. »Sigismondis hat ihn ebenso ausgenutzt wie Costanza, aber die beiden wussten nichts voneinander. Wenn er sich eines nicht erlauben konnte, dann, sich diese zwei zu Feinden zu machen, jedenfalls nicht zu Beginn seiner Arbeit. Später, nachdem TABULA etabliert war und durch den Verkauf des Hybridenserums Millionen verdiente, hat es keine Rolle mehr gespielt. Da hatte er längst ein solches Netzwerk von Unterstützern, Sympathisanten und Nutznießern in Politik und Wirtschaft aufgebaut, dass ihm selbst ein Evangelos Thanassis nicht mehr ernsthaft gefährlich werden konnte.«
»Bis ihm seine Freunde ihrerseits den Stuhl vor die Tür gesetzt haben.« Allmählich fand sie sich in all diesen Verstrickungen zurecht.
»Ihm ist zu spät klar geworden, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Mit solchen Leuten macht man keine Geschäfte, ohne einen Teil der Macht an sie abzutreten. Sigismondis hat TABULA aufgebaut, um in Ruhe seinen Experimenten nachgehen zu können. Die Geschäfte mit dem Serum sollten allein der Finanzierung seiner Arbeit dienen. Das sahen seine Teilhaber jedoch anders, und ehe er sich’s versah, wollten sie ebenfalls davon profitieren. Natürlich scherten sie sich nicht im Geringsten um die Forschungen eines alten Mannes irgendwo in einem vergessenen Bunker. Sie zwangen ihn, sich aus TABULA zurückzuziehen – und im Gegenzug überließen sie ihm diese Anlage und eine bescheidene finanzielle Versorgung, und sie sorgten dafür, dass dieser Ort in Vergessenheit geriet. Dazu nutzten sie alle Mittel, die ihnen zur Verfügung standen: die Gerüchteküche, das Militär, sogar den Corleone-Clan. Diese Isolation war Sigismondis’ Lohn für alles, was er
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