Arkadien 03 - Arkadien fällt
schrie noch immer wie am Spieß und sie beobachtete ihn dabei eine Weile lang von oben, dann stieg sie über ihn hinweg und ging vor ihm in die Hocke. Mit einer blutigen Hand wollte er nach ihr greifen, kein Schlag, nur eine Geste, ein Betteln um Hilfe.
»Wie lange?«, fragte sie ruhig.
Blutbläschen platzten in seinen Mundwinkeln.
»Wie lange habt ihr ihn schon hier unten auf Eis liegen? Die ganzen vierzehn Jahre?« Abermals schob sie seine Hand von sich. »Du hast seine Leiche gegen die Steine ausgetauscht, oder? Wann ist das gewesen? Am Abend vor dem Begräbnis? Oder am selben Tag?«
Ihre Kugel musste allerlei erwischt haben, das gut durchblutet war. Zwischen den Schreien brachte er nur ein Röcheln zu Stande, keine Worte.
»Du hättest die Ziegelsteine nicht erwähnen dürfen«, sagte sie in milde rügendem Tonfall. »Im ersten Moment ist es mir gar nicht aufgefallen. Ich hab nur gedacht, irgendwas stimmt nicht. Irgendwas ist nicht so, wie er es dir weismachen will. Dabei ist es sonnenklar, findest du nicht? Ganz gleich, was damals wirklich passiert ist, du konntest nichts von den Steinen wissen. Es sei denn, du hättest sie selbst dort reingelegt.«
Hellrote Fäden troffen aus seinem Mund. »Er … er hätte die … Lösung sein können.«
»Du hast ihm in den Kopf geschossen, damit es für mich echt aussieht«, stellte sie fest. »Wann hast du das getan? Als ich mit dem Auto angekommen bin? Ihr habt Kameras da oben, nehme ich an. Und dann hast du gedacht, du kannst mir eine rührselige Szene vorspielen vom Vater, der seine verlorene Tochter in die Arme schließt. Vor vierzehn Jahren bist du nicht an das Vermögen der Alcantaras herangekommen, aber jetzt hast du geglaubt, es könnte doch noch ganz einfach werden. Vater und Tochter kehren zurück und besetzen gemeinsam den Chefsessel. Mich allein wollten sie nicht haben – das kann man ihnen ja auch nicht wirklich übel nehmen –, aber dich hätten sie akzeptiert. Costanzas tot geglaubter Sohn schmeißt jetzt den Laden. Kein Versteckspiel mehr, keine falschen Identitäten, dazu noch all dein Insiderwissen über TABULA – sie hätten dir den Reichtum der Alcantaras bereitwillig zu Füßen gelegt. Und ich wäre dein Trumpf in der Hinterhand gewesen. Wenn ich dir abgenommen hätte, dass du Davide bist, dann hätten sie es erst recht getan.«
Er zog eine schmerzerfüllte Grimasse, aber aus seinem Schreien war ein Stöhnen geworden und sein Blick verriet ihr, dass er sie verstehen konnte.
»Die schlechte Nachricht ist, dass alles umsonst war. Du konntest das nicht wissen hier unten in deinem Bunker, aber es haben sich ein paar Veränderungen ergeben. Seit ein paar Tagen ist der Hungrige Mann zurück auf Sizilien und ich bin im Augenblick alles andere als eine verlässliche Lebensversicherung.«
Begriff er, was sie da sagte? Es spielte keine Rolle, obwohl es ihr eine gewisse Genugtuung verschaffte, sein unvermeidliches Scheitern vor ihm auszubreiten. Der körperliche Schmerz war nicht genug. Nicht für ihn.
»Das Herzversagen in diesem Flugzeug«, fuhr sie fort, »war das bei eurem Wiedersehen?«
Er öffnete erneut den Mund, wollte Worte formen, spuckte aber nur Blut.
»Es war genau wie damals, als ihr noch Jungen wart, oder? Ihr seid euch begegnet und du hast ihn dazu gebracht, sich zu verwandeln. Aber sein Herz hat nicht mitgespielt. Du hast gewusst, dass ihn das töten würde.«
»Nein«, keuchte er. »So ist das … nicht gewesen.«
»Wie dann?«
Eine Schmerzwelle raste durch seinen Körper, er streckte sich, krümmte sich dann wieder zusammen.
Ohne Mitgefühl setzte sie den Pistolenlauf auf die Wunde, mitten zwischen seine zuckenden Finger. »Ich will jetzt die Wahrheit wissen!«
Er schrie auf.
Sie zog die Waffe zurück. »Also?«
»Ich wollte ihn … nicht töten. Nicht sofort … Wir wollten ihn untersuchen, den … Defekt finden … Warum die Verwandlungen uns umbringen … ihn genauso wie mich. Aber dann ist er gestorben, im Flugzeug … vor unserem Treffen.«
»Auf natürliche Weise?«
Ein schwaches Nicken.
»Dann hast du die Leiche gestohlen, um ihn zu untersuchen? Um wenigstens noch das Beste für dich herauszuholen?«
»Ich war bei Florinda und hab ihr … ein Ultimatum gestellt. Sie hat mich … ausgelacht und rausgeworfen. ›Geh zu den anderen Clans und erzähl ihnen von TABULA‹, hat sie gesagt. ›Du wirst sehen, was sie dann mit dir anstellen‹ … Und sie hatte Recht damit, es war immer nur eine … leere
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