Arkadien 03 - Arkadien fällt
Suchfenster. Nun stand da nur noch Alcantara . Erneut drückte sie auf Enter.
Acht Namen tauchten auf. Davide zuoberst, dann ein paar andere, die ihr nichts sagten. Die dazugehörigen Daten lagen mehrere Jahrzehnte zurück. Wahrscheinlich unliebsame Verwandtschaft, die von Costanza an TABULA ausgeliefert worden war.
Der letzte Name in der Liste war ihr eigener.
Mit geschlossenen Augen sank sie gegen die Rückenlehne des Stuhls. Was Apollonio vorhin gesagt hatte, lief noch einmal in ihren Gedanken ab, verzerrt wie auf einer defekten Tonspur: Er sei vor gut einem Jahr aus New York zurückgekommen. Aus dieser Zeit stammte auch das Datum hinter ihrem Namen.
Ihre Vergewaltigung lag länger zurück, sechzehn Monate. War er bis zu seiner Rückkehr nach Sizilien in New York geblieben, mehrere Monate? Oder war er später ein zweites Mal in die USA geflogen?
Sie würde ihr Leben lang nicht vergessen, was vor gut einem Jahr geschehen war, exakt einen Tag vor dem Datum neben ihrem Namen.
Als sie aufsprang, rollte mit Geschepper der Stuhl zurück. Noch einmal blickte sie auf die Zahlen und Buchstaben, dann rannte sie hinaus auf den Korridor und durch die Milchglastür in den Archivsaal. Aus dem Augenwinkel sah sie die geschlossene Kühlhaustür, lief weiter und konzentrierte sich auf die Markierungen an den Regalen. Jedes war nummeriert, die Fächer akribisch mit Buchstaben gekennzeichnet.
Das eine, das sie suchte, befand sich im hinteren Bereich des Saals. Sie bog in den schmalen Gang und hielt atemlos Ausschau nach dem richtigen Platz. Tränen liefen über ihre Wangen, ihre Sicht war verschwommen. Ihr Blick streifte Dutzende Gefäße, aus einigen starrten fremde Augen zurück.
Schließlich blieb sie vor einem Behälter stehen, im dritten Fach, auf Höhe ihrer Schultern.
Mit bebenden Händen hob sie ihn aus dem Regal. Er war zylinderförmig, mit Schraubverschluss, nicht größer als ein Marmeladenglas. Sie drückte ihn an ihre Brust, sank in die Knie und beugte sich mit dem Oberkörper darüber, weil sie das Gefühl hatte, ihn mit ihrem Leben beschützen zu müssen.
Lange kauerte sie so da, vielleicht eine Stunde. Irgendwann in diesem Zeitraum musste Apollonio hinter der Stahltür gestorben sein, blutleer und steif gefroren, aber sie verschwendete kaum einen Gedanken an ihn.
Das Glas war jetzt nicht mehr kalt an ihrem Körper und sie spürte, wie ihr Herz dagegenschlug, erst rasend, dann immer ruhiger und sanfter.
Schließlich erhob sie sich, ließ die Pistole im Labor zurück, stieg durch das hallende Treppenhaus nach oben und trug Nathaniel ans Tageslicht.
Untergang
J enseits der Baracken stieg Rosa auf die felsige Hügelkuppe. Dort oben thronte eine haushohe Formation aus zerklüftetem Kalkstein, durchzogen von Spalten und Furchen. Sie kletterte in einer der Kerben bis zum höchsten Punkt der Felskrone und erreichte ein kleines Plateau. In zahlreichen Vertiefungen hatte sich Erdreich abgelagert, im Windschatten wuchsen Unkraut und Gräser, sogar Klee.
Mit Hilfe eines flachen Steins grub sie ein Loch, nicht breiter als ihre Faust und doppelt so tief. Dann öffnete sie den Verschluss des Glasbehälters, kümmerte sich nicht um den stechenden Spiritusgeruch, ließ die klare Flüssigkeit ablaufen und hob unendlich vorsichtig den winzigen Inhalt heraus. Sie bettete ihn zärtlich auf den Grund des Grabes, legte ein Kleeblatt dazu und schob langsam die Erde darüber. Obenauf platzierte sie den Stein.
Und wieder kniete sie reglos da, den Kopf gesenkt, während die Tränen von ihrem Kinn tropften und die Erde benetzten. Der Spiritus war längst verflogen, sie roch das Gras und den feuchten Boden, spürte, wie der Wind über die Felskuppe strich und ihr Haar aufwirbelte, und sie dachte, dass dies ein Ende war, mit dem sie würde leben können.
Als sie aufstand, tat sie es in der Gewissheit, dass er hier Ruhe finden würde, weil es einer dieser Orte am Ende der Welt war, von denen sie nun bereits zwei kannte. Besondere Orte, an die nicht jeder kam.
Mit einem letzten Blick auf das Grab machte sie sich an den Abstieg. Abermals folgte sie der Felsfurche, bis sie die äußeren Baracken erreichte. Vielleicht hätte sie Feuer legen, den unterirdischen Komplex ein für alle Mal ausbrennen sollen. Aber sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte und ob es die Mühe noch wert war.
Gedankenverloren ging sie durch die Gasse zwischen den Baracken, vorbei an dem neuen Geländewagen, den Apollonio hier geparkt hatte. Als sie die
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