Arkadien 03 - Arkadien fällt
war.
»Vor vierzig Jahren hat sich die Frau meines Vaters das Leben genommen«, sagte Danai. »Von einem Tag auf den anderen stand er vor einem gigantischen Scherbenhaufen. TABULA hatte mit seinem Geld und in seinem Auftrag furchtbare Verbrechen begangen, beging sie sogar immer noch, und da endlich ist ihm klar geworden, dass Sigismondis ihn fast ein Jahrzehnt lang an der Nase herumgeführt hatte. Erst hat mein Vater ihm gedroht, alles publik zu machen, aber er wusste natürlich, was dann mit ihm selbst und seinem Vermögen passieren würde. Also hat er sich zurückgezogen, alle Verbindungen zu TABULA gekappt, sämtliche Zahlungen eingestellt und gehofft, dass das ausreichen würde, um Sigismondis auszuhungern.«
Rosa verzog den Mund. »Er war zu feige, an die Öffentlichkeit zu gehen. Weil ihn das sein Reederei-Imperium gekostet hätte. Weil man ihn auf Nimmerwiedersehen ins Gefängnis gesteckt hätte. Glaubst du wirklich, er hat gewollt, dass du uns das erzählst?«
»Allerdings«, erwiderte Danai heftig. »Wir haben lange darüber gesprochen, noch bevor ihr an Bord gekommen seid. Er bietet euch seine Aufrichtigkeit an.«
»Im Austausch für was?«, fuhr Alessandro sie an. »Was erwartet er von uns?«
»Hört euch erst den Rest an.« Danai atmete tief durch, schnitt Rosas Einspruch mit einer Handbewegung ab und setzte ihren Bericht fort: »Was mein Vater nicht geahnt hat, war, dass Sigismondis längst nicht mehr auf sein Geld angewiesen war. Seine Leute hatten zwischenzeitlich ein einträgliches Geschäft auf die Beine gestellt. Das Serum, das sie aus dem Hybridenblut gewonnen hatten, war für Arkadier ein Segen. Zum ersten Mal gab es die Möglichkeit, eine Verwandlung aufzuhalten. Und gerade während der Streitigkeiten der Dynastien untereinander, während der großen Mafiakriege der Siebziger- und Achtzigerjahre, stellte das Serum für die Clans eine Waffe von unschätzbarem Wert dar. Und so hat TABULA begonnen, das Zeug über Mittelsmänner an die Dynastien zu verkaufen, die es sich ein Vermögen haben kosten lassen. Das Ganze wurde ein perfider Kreislauf: TABULA entführt Arkadier, züchtet Hybriden, stellt aus deren Blut das Serum her und verkauft es zurück an die Arkadier – sogar an jene, deren eigene Familienmitglieder entführt wurden.«
Rosa hatte in ihrer kurzen Zeit als Oberhaupt der Alcantaras von vielen Verbrechen gehört, aber dies übertraf alles. »Die Pelze«, sagte sie. »Waren die auch ein Teil der Geschäfte?«
Danai nickte. »TABULA verkauft auch heute noch die Pelze der getöteten Arkadier an Sammler in aller Welt, auch an Menschen, in Amerika, Japan, überall in Europa. Gewisse Kreise in Russland – selbst Arkadier, soweit wir wissen – zahlen dafür mehr als für den besten Zobel. Genau genommen ist TABULA heute kein wissenschaftlicher Geheimbund mehr, sondern eine Verbrecherorganisation wie eure eigenen. Hört schon auf, mich so anzusehen – sie sind euch nicht unähnlich, ob euch das gefällt oder nicht. Aus Sigismondis’ cleveren Geschäftsideen, mit denen er nach dem Rückzug meines Vaters seine Experimente finanzierte, ist ein geheimes Monopol geworden. Seine Waren sind das Serum, die Pelze, aber auch andere Substanzen. In Japan gibt es milliardenschwere Manager, die darauf schwören, dass arkadischer Knochenstaub ihre Potenz –«
»Ja«, sagte Rosa, »schon klar. Und um TABULA das Handwerk zu legen, will dein Vater alle Arkadier ausrotten.« Mit beißendem Spott fügte sie hinzu: »Weil er ja schon einmal so erfolgreich darin war, TABULA den Versorgungshahn abzudrehen.«
Danais Miene verlor jede Emotion. Die Erregung, in die sie sich während ihrer langen Rede hineingesteigert hatte, verpuffte innerhalb eines Augenblicks.
»Das ist der Plan«, sagte sie müde. »Und leider funktioniert er nicht ohne euch.«
Das Konkordat
D anai führte Rosa und Alessandro über Gittertreppen ans Tageslicht. Unterwegs erzählte sie ihnen von ihrer Mutter.
»Sie ist bei einer der allerersten Befreiungsaktionen aus einem TABULA-Laboratorium gerettet worden. Sie war Arkadierin, entführt aus irgendeinem Küstenort in Kroatien, aber sie war keine Hybride. Offenbar sollte sie im Labor künstlich befruchtet werden, um dann Gott weiß was auszutragen.« Sie hielt kurz inne, während sie auf dem Weg nach oben ein weiteres Stahlschott passierten. »Sogar die Wesen in den Aufzugschächten hatten menschliche Mütter, auch wenn darauf keiner mehr kommen würde. TABULA hat sie zu dem
Weitere Kostenlose Bücher