Arkadien 03 - Arkadien fällt
Wirklichkeit eine Umarmung. Nach allem, was Thanassis ihnen erzählt hatte, musste diese Haltung eine Provokation gewesen sein, der größte denkbare Affront gegen die Götter.
»Fuck«, flüsterte Rosa.
Alessandro sah sie fragend an.
»Ich erwische mich schon selbst dabei, dass ich an Götter wie an lebende Wesen denke. Das ist völlig bescheuert.«
»Ist es das?«, fragte Danai. »Würden wir diesen immensen Aufwand betreiben, wenn es nur um Hirngespinste ginge?«
»Was fragst du mich das?«, entfuhr es Rosa. »Du bist Daddys kleine Prinzessin, nicht ich.« Alessandro schoss einen warnenden Seitenblick auf sie ab, aber sie ließ sich nicht aufhalten. »Ihr verschleppt uns in diese schwimmende Freakshow, erzählt uns ein paar Geschichten aus alten Zeiten und wollt uns weismachen, dass es besser ist, wenn alle Arkadier tot sind – was uns beide irgendwie einschließt, oder?« Sie baute sich vor Danai auf und gab sich alle Mühe, nicht an den Teil der jungen Frau zu denken, der sich unter dem schwarzen Samt verbarg. »Da steckt doch mehr dahinter. Und falls ihr wollt, dass wir euch vertrauen, dann wäre es besser, wenn du endlich mit der ganzen Wahrheit herausrückst.«
Danai blickte an Rosa vorbei und lächelte Alessandro an. »Wir sind froh, dass ihr bei uns seid. Sehr froh sogar.«
Rosa musste sich zu ihrem Verdruss auf die Zehenspitzen stellen, um den Blickkontakt der beiden zu unterbrechen. »Übrigens hasst er Spinnen.«
»Zum Glück bin ich keine.«
»Arachnida können alles Mögliche sein«, sagte Alessandro. »Auch Krebse und Krabben.«
»Skorpione.« Etwas schob sich hinter Danais Rücken unter dem Rock hervor, ein mächtiger, tropfenförmiger Stachel aus Horn und Knochenplatten. In weitem Bogen richtete er sich um den Saum des Stoffes herum auf, die faustgroße Spitze pendelte vor und zurück.
Rosa rümpfte verächtlich die Nase und Danais Gesichtszüge entgleisten. Sie fletschte die Zähne und ihre Augen färbten sich schwarz, so als spritze Tinte aus ihren Pupillen. Über ihre Lippen drang ein rasselnder Laut, den kein menschlicher Kehlkopf bilden konnte. Weiter aber ging die Veränderung nicht, Danai blieb ein grotesker Zwitter aus Frau und Tier.
Rosa zeigte ihre Fangzähne und zischte bösartig. Sie verwandelte sich nicht vollständig, nur ihr Gesicht überzog sich für wenige Herzschläge mit Schuppenhaut.
»Vergiss es«, fauchte sie dann leise, trat einen Schritt zurück und wandte sich den Statuen zu, ohne Danai weiter Beachtung zu schenken. Es machte sie traurig, diese respektlose Zerstörung der Umarmung anzusehen, die Schlange und Panther jahrtausendelang in der Finsternis vereint hatte.
»Es ist nicht in Ordnung, all das einfach fortzuwerfen«, sagte sie leise.
Sie spürte, dass Danai hinter sie trat. Die Spitze des Rocksaums berührte ihre Waden, aber Rosa drehte sich nicht um, sondern ging in die Hocke. Sanft strich sie mit den Fingern über ein steinernes Panthergesicht.
»Was ist die Alternative?«, fragte Danai ruhig. »Der Welt die Wahrheit zu sagen? Sollen alle wissen, was du bist? Was Alessandro ist? Glaubst du, ihr könnt mit Toleranz rechnen, wenn das bekannt wird?«
Rosa schüttelte den Kopf. Alessandro kam dazu und legte einen Arm um sie. »Das ist nur Stein«, sagte er. »Das hier hat nichts zu bedeuten. Nur ein paar alte Felsbrocken, in die irgendwer Gesichter gehauen hat.«
»Unsere Gesichter.«
Da küsste er sie lange und zärtlich, und es spielte keine Rolle, dass Danai dabeistand und ihnen wortlos zusah. Rosa strich Alessandros widerspenstiges Haar aus seinen Augen, musste grinsen und zog ihn mit sich auf die Beine.
Fast widerwillig wandte sie sich wieder an Danai. »Warum hat dein Vater alles aufgegeben, um ein paar Hundert Hybriden zu retten?« Sie sprach endlich aus, was sie schon die ganze Zeit über dachte. »Irgendwas lässt ihm doch keine Ruhe.«
Auch Alessandro sah die Hybride an. »Ist es TABULA?«
Danai ließ sich langsam vor den Trümmern der zerbrochenen Statuen nieder. Es sah aus, als wäre ihr Oberkörper auf einmal zu schwer für die schwarzen Stoffmassen. »Ob ihr es von ihm erfahrt oder von mir, spielt wahrscheinlich keine Rolle«, sagte sie. »Er und TABULA … es gibt da tatsächlich eine Verbindung.«
»Noch eine Stiftung, die er großzügig fördert?«, fragte Rosa spitz.
»Seine erste Frau – nicht meine Mutter – war eine Arkadierin. Vor über fünfzig Jahren, kurz nach der Hochzeit, wurde sie zur Hybride. Sie hat sich
Weitere Kostenlose Bücher