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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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wenn auch in kleinerem Maßstab. Beispiele hierfür sind der Austausch von Anbaupflanzen zwischen dem paki­stanischen Industal und Südindien im Schneckentempo, das langsame Vordringen der Landwirtschaft von Süd­china zur Malaiischen Halbinsel und die Tatsache, daß die tropische Landwirtschaft aus Indonesien und Neu­guinea in vorgeschichtlicher Zeit nicht den Sprung in den Südwesten beziehungsweise Südosten von Australien schaffte. Dort befinden sich heute die australischen Kornkammern – allerdings über 3000 km südlich des Äquators. Die Landwirtschaft hielt erst Einzug, als Schif­fe aus dem fernen Europa eintrafen und Anbaupflanzen mitbrachten, die an das kühle europäische Klima und die kurzen Vegetationsperioden angepaßt waren.
    Ich habe mich so ausführlich mit Breitengraden be­schäftigt, weil sie einen wichtigen Faktor im Zusam­menhang mit Klima, Pflanzenwachstum und Ausbrei­tungsbedingungen der Landwirtschaft darstellen. Na­türlich gibt es aber noch weitere Faktoren, und es muß auch in benachbarten Regionen gleicher geographi­scher Breite nicht unbedingt das gleiche Klima herr­schen (trotz notwendigerweise übereinstimmender Ta­geslängen). Topographische und ökologische Barrieren, die auf manchen Kontinenten sehr viel ausgeprägter sind als auf anderen, behinderten die Ausbreitung der Landwirtschaft auf lokaler Ebene.
    So verlief die Ausbreitung von Anbaupflanzen vom Südosten zum Südwesten der heutigen USA und umge­kehrt äußerst langsam und selektiv, obwohl beide Regio­nen auf gleicher geographischer Breite liegen. Der Grund war, daß sich mit Texas und der südlichen Prärie ein trockenes, für Ackerbau ungeeignetes Gebiet zwischen beiden Regionen erstreckte. Ein ähnliches Beispiel in Eurasien betrifft die Ostgrenze des Ausbreitungsgebiets der Anbaupflanzen aus dem Bereich des Fruchtbaren Halbmonds, die westwärts rasch bis zum Atlantik und ostwärts bis zum Industal vordrangen, ohne auf größe­re Hindernisse zu stoßen. Östlich des Industals führ­te jedoch der Wechsel von vorwiegend winterlichen zu vorwiegend sommerlichen Niederschlägen zu einer star­ken Verzögerung des weiteren Vordringens der Landwirt­schaft in die Gangesebene im Nordwesten Indiens, ein­hergehend mit der Nutzung anderer Anbaupflanzen und -techniken. Noch weiter östlich waren die klimatisch ge­mäßigten Regionen Chinas von Gebieten des westlichen Eurasien, in denen ein ähnliches Klima herrschte, durch die Wüsten Zentralasiens, das Hochland von Tibet und den Himalaja getrennt. Die ursprüngliche Entstehung der Landwirtschaft in China erfolgte deshalb unabhän­gig von Entwicklungen, die auf gleicher geographischer Breite in Vorderasien stattfanden, und brachte ganz an­dere Arten von Kulturpflanzen hervor. Selbst die gewalti­gen Barrieren, die China vom westlichen Eurasien trenn­ten, wurden jedoch im 2. Jahrtausend v. Chr. zumindest teilweise überwunden, als Weizen, Gerste und Pferde aus dem westlichen Asien nach China gelangten.
    Andererseits hatte eine Nord-Süd-Entfernung von 3000 Kilometern nicht überall die gleiche trennende Wirkung. Vom Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds brei­tete sich die Landwirtschaft nach Süden über eine Ent­fernung von etwa dieser Größenordnung nach Äthiopi­en aus, während die Bantu-Landwirtschaft vom Gebiet der großen Seen in Ostafrika innerhalb relativ kurzer Zeit südwärts bis nach Natal vordrang – in beiden Fällen waren die Regionen, die dazwischenlagen, durch ähnli­che Niederschlagsverhältnisse geprägt und für die Land­wirtschaft geeignet. Dagegen war die Ausbreitung von Kulturpflanzen von Indonesien in den Südwesten Au­straliens völlig unmöglich, und die wesentlich kürzere Distanz von Mexiko in den Südwesten und Südosten Nordamerikas konnte nur sehr langsam überwunden werden, weil dazwischen Wüstengebiete lagen, die für die Landwirtschaft nicht in Frage kamen. Das Fehlen eines Hochplateaus in Mesoamerika südlich von Gua­temala sowie Mesoamerikas extreme Verengung süd­lich von Mexiko und speziell in Panama spielten für das völlige oder weitgehende Ausbleiben eines Austauschs von Kulturpflanzen und Haustieren zwischen den Hoch­landgebieten Mexikos und der Anden eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die Unterschiede in der geo­graphischen Breite dieser Regionen.
    Die unterschiedliche Ausrichtung der geographischen Hauptachsen der Kontinente beeinflußte nicht nur die Ausbreitung der Landwirtschaft, sondern auch die

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