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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ande­rer Techniken und Erfindungen. So fand beispielsweise das um 3000 v. Chr. in Vorderasien erfundene Rad in­nerhalb weniger Jahrhunderte in großen Teilen Eurasi­ens Verbreitung, während die im prähistorischen Mexi­ko eigenständig erfundenen Räder nie südwärts in die Anden gelangten. Ähnlich breitete sich die Schrift, die im westlichen Teil Vorderasiens um 1500 v. Chr. erfun­den worden war, innerhalb von tausend Jahren west­wärts bis Karthago und ostwärts bis nach Indien aus. Die mesoamerikanischen Schriftsysteme, die in vorge­schichtlicher Zeit mindestens 2000 Jahre lang existier­ten, fanden dagegen nie den Weg in die Anden.
    Räder und Alphabete stehen natürlich in keinem di­rekten Zusammenhang mit geographischer Breite und Tageslänge, wie es bei Anbaupflanzen der Fall ist. Die Verbindungen sind eher indirekt und führen meist über Agrarsysteme als Zwischenglied. Die ältesten Räder roll­ten an Ochsenkarren, die zum Transport landwirtschaft­licher Erzeugnisse dienten. Die Verwendung der ersten Schriften war auf Herrschaftskreise beschränkt, die von bäuerlichen Untertanen miternährt wurden, und diente Zwecken, die für wirtschaftlich und sozial differenzier­te Agrargesellschaften typisch waren (wie etwa Propa­ganda für den Herrscher, Buchhaltung usw.). So blieben Austauschbeziehungen typischerweise nicht beschränkt auf Anbaupflanzen, Haustiere und landwirtschaftliche Techniken, sondern erstreckten sich auch auf andere Be­reiche.
    In einem in Amerika stolz gesungenen Lied, »America the Beautiful«, ist die Rede von Amerikas weiten Hori­zonten und seinen gelbbraunen, wogenden Kornfeldern, die von einem funkelnden Ozean zum anderen reichen. Im Grunde wird darin die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt. Ähnlich wie in Afrika wurde die Ausbreitung heimischer Anbaupflanzen und Haustiere in Nord- und Südamerika durch geographische Barrieren aufgehalten. Keine Felder mit heimischem Getreide erstreckten sich je von der Atlantik­bis zur Pazifikküste Nordamerikas, von Kanada bis Patagonien oder von Ägypten bis nach Süd­afrika; dagegen reichten gelbbraune, wogende Weizen­und Gerstenfelder unter dem weiten Himmel Eurasiens sehr wohl vom Atlantik bis zum Pazifik. Die schnelle­re Ausbreitung der eurasischen im Vergleich zur india­nischen und afrikanischen Landwirtschaft südlich der Sahara spielte eine wichtige Rolle für die raschere Aus­breitung eurasischer Schriften, Technologien und Reiche (wie im nächsten Teil dieses Buches gezeigt wird).
    Mit der Schilderung all dieser Unterschiede soll nicht der Eindruck erweckt werden, als seien weitverbreitete Anbaupflanzen an sich etwas Bewundernswertes oder als würden sie den größeren Einfallsreichtum der frü­hen eurasischen Bauern bezeugen. Sie sind vielmehr Aus­druck der günstigeren Ausrichtung der geographischen Hauptachse Eurasiens im Vergleich zu der Nord- und Südamerikas beziehungsweise Afrikas. Nicht zuletzt wa­ren es diese Achsen, um die sich das Rad der Geschich­te drehte.

TEIL III
Von der Landwirtschaftzur Kleptokratie

KAPITEL  10
Tödliche Gabe
Die Evolution der Krankheitskeime
    W ir wissen nun, wie die Landwirtschaft in wenigen Zentren entstand und sich von dort mit unterschiedlichem Tempo in andere Gebiete ausbreitete. Diese geographischen Unterschiede beinhalten wichtige Elemente der Antwort auf Yalis Frage, wie einige Völker zu mehr Macht und Einfluß gelangten als andere. Allerdings kann die Landwirtschaft selbst natürlich nicht als unmittelbare Erklärung herangezogen werden. In einem Kampf Mann gegen Mann stünde ein nackter Bauer nicht besser da als ein nackter Jäger. Ein Teil der Erklärung für die größere Macht bäuerlicher Gesellschaften besteht vielmehr darin, daß die Landwirtschaft eine wesentlich höhere Bevölkerungsdichte ermöglichte: Zehn nackte Bauern wären einem allein kämpfenden nackten Jäger mit Sicherheit überlegen. Der andere Teil der Erklärung lautet, daß weder Bauern noch Jäger und Sammler nackt sind, jedenfalls nicht im übertragenen Sinne. Bauern atmen in der Regel gefährlichere Krankheitskeime aus, verfügen über bessere Waffen und Rüstungen, besitzen überhaupt wirksamere Techniken und leben unter zentralistischen Regierungen mit schriftkundigen Herrschaft­sschichten, die zur Führung von Eroberungskriegen besser in der Lage sind. In den nächsten vier Kapiteln soll es deshalb dar­um gehen, wie die Landwirtschaft als tiefere Ursache zu Krankheitserregern, Schrift,

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