Arm und Reich
sowie Huhn, Reis, Aprikosen, Pfirsiche und Borstenhirse (ursprüngliche Herkunft aus China). Die in Rom verzehrten Äpfel waren zwar wenigstens im westlichen Eurasien heimisch, doch die verwendeten Veredelungstechniken stammten aus China.
Eurasien ist mit Abstand die größte Landmasse, deren einzelne Regionen grob gesehen auf gleicher geographischer Breite liegen, und stellt somit das krasseste Beispiel für die rasche Ausbreitung domestizierter Pflanzen und Tiere dar. Es gibt aber noch weitere Beispiele. Mit ähnlich hohem Tempo wie das vorderasiatische »Startpaket« verbreitete sich ein subtropisches Biobündel, das ursprünglich aus dem Süden Chinas stammte und bei seiner Ankunft im festländischen Südostasien, auf den Philippinen, in Indonesien und Neuguinea um weitere Komponenten ergänzt wurde. Innerhalb von 1600 Jahren hatte sich das so entstandene Paket aus Anbaupflanzen (Bananen, Taro, Jamswurzeln) und Haustieren (Hühner, Schweine, Hunde) über 8000 km weit ostwärts in den tropischen Pazifik hinein bis zur polynesischen Inselwelt ausgebreitet. Ein weiteres Beispiel war die Ost-West-Ausbreitung von Kulturgewächsen in der afrikanischen Sahelzone, deren Einzelheiten jedoch noch der näheren Erforschung durch Paläobotaniker bedürfen.
Man vergleiche die offenbar mühelose Ost-West-Ausbreitung durch die eurasischen Weiten mit den Problemen der Nord-Süd-Ausbreitung in Afrika. Die meisten der Gründerpflanzen aus Vorderasien erreichten Ägypten innerhalb relativ kurzer Zeit und gelangten von dort aus nach Süden bis ins kühle Hochland von Äthiopien, aber nicht weiter. Zwar wäre auch Südafrikas mediterranes Klima ideal für sie geeignet gewesen, doch die über 3000 km breite tropische Klima- und Vegetationszone zwischen Äthiopien und Südafrika erwies sich als unüberwindliches Hindernis. Geburtshelfer der Landwirtschaft in Afrika südlich der Sahara waren statt dessen Wildpflanzen (wie Sorghum und afrikanische Jamswurzeln), die in der Sahelzone und im tropischen Westafrika heimisch und an die warmen Temperaturen, Regenzeiten und die im Jahresverlauf relativ gleich langen Tage in diesen Breiten angepaßt waren.
Klimatische Barrieren und Krankheiten (insbesondere die von der Tsetsefliege übertragene Schlafkrankheit) stoppten oder verlangsamten in Afrika auch den Vormarsch von Haustieren aus Vorderasien. Das Pferd konnte sich deshalb nie weiter südlich als in den westafrikanischen Königreichen nördlich des Äquators etablieren. Der Vormarsch von Rindern, Schafen und Ziegen kam für 2000 Jahre am Nordrand der Serengeti zum Stehen; in dieser Zeit wurden neue Formen der Weidewirtschaft entwickelt und neue Viehrassen gezüchtet. Erst in den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, also 8000 Jahre nach ihrer Domestikation in Vorderasien, erreichten Rinder, Schafe und Ziegen endlich Südafrika.
Kulturpflanzen aus dem tropischen Afrika stießen auf dem Weg nach Süden ebenfalls auf große Schwierigkeiten. Im Gepäck schwarzhäutiger Bauernvölker (Bantus) trafen sie erst kurz nach der Ankunft der in Vorderasien domestizierten Haustiere in Südafrika ein. Dort konnten die afrikanischen Tropenpflanzen jedoch nie am anderen Ufer des Fish River, der die Grenze zur mediterranen Klimazone Südafrikas markiert, Fuß fassen.
Das Resultat war der bekannte Verlauf der südafrikanischen Geschichte in den letzten 2000 Jahren. Einige der südafrikanischen Khoisan-Völker (früher Hottentotten und Buschmänner genannt) gelangten in den Besitz von Vieh, wurden aber keine Ackerbauern. Nordöstlich des Fish River wurden sie von schwarzen bäuerlichen Völkern, deren Wanderung nach Süden an diesem Fluß endete, zahlenmäßig überflügelt und verdrängt. Erst als europäische Siedler im Jahr 1652 auf dem Seeweg eintrafen und das Pflanzenbündel aus Vorderasien mitbrachten, hielt die Landwirtschaft auch in der mediterranen Zone Südafrikas Einzug. Der Zusammenprall dieser Elemente bildete den Nährboden für die tragischen Entwicklungen im Südafrika der Neuzeit: die rasche Dezimierung der Khoisan durch europäische Krankheiten und Waffen, ein Jahrhundert der Kriege zwischen Europäern und Schwarzafrikanern, ein weiteres Jahrhundert der rassistischen Unterdrückung und heute nun die gemeinsame Suche von Weißen und Schwarzen nach einer neuen Form des Zusammenlebens auf dem einstigen Land der Khoisan.
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