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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Ost-West-Ausbrei­tung in Eurasien auch mit dem schwierigen Vordringen entlang der Nord-Süd-Achse des amerikanischen Dop­pelkontinents. Die Entfernung zwischen Mesound Sü­damerika – sagen wir, zwischen den Hochlandgebieten von Mexiko und Ecuador – beträgt weniger als 2000 km, was auf Eurasien übertragen in etwa der Entfer­nung zwischen dem Balkan und Mesopotamien ent­spricht. Der Balkan, der für die meisten Anbaupflanzen und Haustiere aus Mesopotamien ideale Voraussetzun­gen bot, empfing das Landwirtschaftsbündel aus Vor­derasien innerhalb von 2000 Jahren, nachdem es dort geschnürt worden war. Durch den rascheren Verlauf der Ausbreitung entging den Bewohnern des Balkans die Gelegenheit, die gleichen und verwandte Arten ih­rer Region selbst zu domestizieren. Hochlandgebiete in Mexiko und den Anden wären ganz ähnlich für viele Kulturpflanzen und Haustiere der jeweils anderen Re­gion geeignet gewesen. Einige wenige Pflanzen – hier sei insbesondere Mais aus Mexiko genannt – fanden denn auch schon in präkolumbianischer Zeit den Weg in die andere Region.
    Andere Anbaupflanzen und Haustiere schafften den Weg von Mesoamerika nach Südamerika oder umge­kehrt dagegen nicht. Das kühle Hochland von Mexiko hätte ideale Bedingungen für die Haltung von Lamas oder Meerschweinchen und den Anbau von Kartoffeln – alle wurden im kühlen Hochland der Anden dome­stiziert – geboten. Der Weg nach Norden wurde jedoch durch die feuchtheißen Tieflandgebiete Mittelamerikas, die als Barriere dazwischenliegen, versperrt. Rund 5000 Jahre nach der Domestikation des Lamas in den Anden waren die Olmeken, Mayas, Azteken und all die ande­ren Kulturen Mexikos immer noch ohne Packtiere und eßbare Haustiere mit Ausnahme von Hunden.
    Umgekehrt hätten in Mexiko domestizierte Truthähne und im Osten der USA domestizierte Sonnenblumen in den Anden möglicherweise gut gedeihen können, wäre ihnen der Weg nach Süden nicht wiederum durch die tropische Klimazone verwehrt worden. Mais, Kürbisse und Bohnen wurden nach ihrer Domestikation in Me­xiko mehrere tausend Jahre lang durch eine Nord-Süd-Entfernung von nur 1100 km am Erreichen des ameri­kanischen Südwestens gehindert, während mexikanische Paprikas in vorgeschichtlicher Zeit überhaupt nicht bis dorthin vordrangen. Mais benötigte nach seiner Dome­stikation in Mexiko mehrere Jahrtausende, um sich bis in den Osten Nordamerikas mit seinem kühleren Kli­ma und der kürzeren Vegetationsperiode auszubreiten. Irgendwann in den beiden ersten Jahrhunderten unse­rer Zeitrechnung tauchte er dort schließlich auf, spielte jedoch lange Zeit noch eine untergeordnete Rolle. Erst ab 900 n. Chr., als mittlerweile widerstandsfähigere, an das nördliche Klima angepaßte Maissorten gezüchtet worden waren, leistete der Maisanbau einen Beitrag zum Aufblühen der am höchsten entwickelten Indianerkul­tur Nordamerikas, der Mississippi-Kultur – gerade noch rechtzeitig, bevor ihr von europäischen Krankheiten, die von Kolumbus und seinen Nachfolgern eingeschleppt wurden, gleich wieder der Garaus gemacht wurde.
    Wie wir uns erinnern, wissen wir aus genetischen Un­tersuchungen, daß die meisten Anbaugewächse aus Vor­derasien auf eine einzige Domestikation zurückgehen, deren Ergebnis sich so rasch verbreitete, daß es mög­lichen Domestikationen der gleichen oder verwandter Arten in anderen Gebieten zuvorkam. Demgegenüber gehören viele der weitverbreiteten amerikanischen Kul­turpflanzen verwandten Arten oder sogar genetisch un­terschiedlichen Varietäten an, die unabhängig vonein­ander in Mesoamerika, Südamerika und im Osten der heutigen USA domestiziert wurden. Mit eng verwandten Arten haben wir es in unterschiedlichen Regionen bei den Fuchsschwanzgewächsen, Bohnen, Paprikas, Kür­bissen, Baumwoll- und Tabaksorten zu tun, mit unter­schiedlichen Varietäten dagegen bei Gartenbohnen, Li­mabohnen, den Paprikas Capsicum annuum/chinense und dem Kürbis Cucurbita pepo . Dieses Resultat wie­derholter unabhängiger Domestikationen ist ein weite­res Indiz für das langsame Tempo der Ausbreitung von Kulturpflanzen entlang der amerikanischen Nord-Süd-Achse.
    Afrika und der amerikanische Doppelkontinent sind also die beiden größten Landmassen mit dominieren­der Nord-Süd-Achse und entsprechend langsamer Aus­breitung von Haustieren und Kulturpflanzen. Daneben gibt es jedoch noch weitere Regionen, in denen die lang­same Nord-Süd-Ausbreitung ebenfalls eine Rolle spielte,

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